Nach dem zweiten Nein zur EU-Verfassung bleibt von der Luxemburger Ratspräsidentschaft trotz einiger Verdienste ein schaler Nachgeschmack. Inmitten der Ratlosigkeit erläuterte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Ideen für mögliche Lösungsansätze. Sicher sei jedenfalls, dass kein Staat nun den Ratifizierungsprozess stoppen dürfe.
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Verwirrung dominiert weiter die Szenerie. Während der Luxemburger Ratspräsident Jean-Claude Juncker mit allen Staats- und Regierungschefs einzeln um den künftigen Haushalt der EU ringt, sieht es für das Prestigeprojekt EU-Verfassung nach dem überdeutlichen Nein der Niederländer endgültig schlecht aus.
Einiges haben die Luxemburger aber geschafft. Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und die Wegekostenrichtlinie wurden nach jahrelangem Streit unter Dach und Fach gebracht. Die Einigung über die Reform der Abgeordneten im Europäischen Parlament könnte noch am Freitag über die Bühne gehen. Doch zuletzt wendete sich das Blatt. Erst fuhren die Verhandlungen zum Finanzrahmen schier unwiderruflich auf Grund, und nun ist das Schicksal der Verfassung omnipräsent.
"Die Jagd nach Sündenböcken ist in vollem Gang", bestätigte Außenministerin Ursula Plassnik bereits vor der vernichtenden Niederlage in den Niederlanden. Das sei ebenso wie unüberlegte "Blitzaktionen" kontraproduktiv. Es gäbe in der derzeitigen Situation "keine billigen Patentrezepte". Allerdings dürfe man sich nicht auf die Analyse der vielfältigen Gründe der Niederlage konzentrieren, sondern müsse vielmehr eine "neue europäische Aufmerksamkeit" entwickeln. Klar sei, dass sich die EU-Staats- und Regierungschefs mit ihrer Unterschrift im Oktober 2004 in Rom dazu verpflichtet hätten, "alle notwendigen Schritte für die Ratifikation einzuleiten", erklärte der Bundeskanzler.
Inzwischen hat sich auch die Kommission offen für die Idee einer europaweiten Volksabstimmung über die Verfassung gezeigt. Dies sei generell ein interessanter Gedanke, erläuterte ein Sprecher. Er wies aber gleichzeitig auf die Schwierigkeiten in Mitgliedsstaaten wie Deutschland hin, in denen Referenden nicht vorgesehen sind.
Unterdessen hat Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac seine europäischen Kollegen schriftlich aufgefordert, die Folgen der Ablehnung der EU-Verfassung durch Frankreich "genau zu analysieren". Mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso wiederum plane er eine "Abrechnung" auf dem nächsten Gipfel, berichtete die Lissaboner Zeitung "Publico ". So wolle Chirac den Portugiesen zum "Sündenbock" für die aktuelle EU-Krise machen.