Wie Kunden in Wiens Einwanderungsbehörde MA 35 gegenüber Beamten manchmal die Hand ausrutscht.
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Wien. Die MA 35 hat keinen guten Ruf. Experten beschreiben Wiens Einwanderungsbehörde als kafkaeskes Labyrinth, in dem Betroffene auf die Erledigung ihrer Verfahren schon einmal ein paar Jahre warten. Die Kunden sind gereizt. Die Beamten überfordert. Zu viele Gesetzesnovellen, denen sie hinterher hecheln müssen. Zu viele aufgewühlte Antragsteller. Zu viele Emotionen.
Nun ist die Behörde mit neuen Vorwürfen konfrontiert. Wie das Monatsmagazin "Datum" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, sollen Mitarbeiter der MA 35 von Kunden immer wieder tätlich angegriffen worden sein. Von "Schubsereien" und "Schlägen ins Gesicht" berichten ehemalige Mitarbeiter sowie Gewerkschafter. Die Behörde habe daraufhin ein eigenes Alarmsystem installieren lassen - inklusive Notrufknopf unter den Schreibtischen, damit die Mitarbeiter die Polizei verständigen können, wenn die Situation für sie zu eskalieren droht. Die zuständigen Verantwortlichen wollen von den Übergriffen auf die Beamten nichts gewusst haben, heißt es im Artikel.
"Schläge mit der flachen Hand hat es definitiv gegeben", bestätigt Norbert Pelzer, Gewerkschafter der Gemeindebediensteten und Vertreter der Mitarbeiter, die Vorwürfe gegenüber der "Wiener Zeitung." Auch von Schubsereien weiß er. In den vergangenen sechs Jahren sind ihm eine "Handvoll" Übergriffe gemeldet worden, an die er sich erinnern kann. In den vergangenen fünf Monaten sei es aber ruhiger geworden, meint er.
Alte Männer, junge Frauen
Hochemotional sei die Atmosphäre bei der MA 35. "Sie haben es hier auch mit Männern zu tun, die aus einem Kulturkreis kommen, die ein anderes Frauenbild haben. Die stehen einer jungen Sachbearbeiterin gegenüber, und die sagt zu ihnen ‚NEIN‘", erklärt Pelzer die geladene Stimmung dort: "Und die Frage ist: Hält das dieser 50-jähriger Mann an einem guten Tag aus oder nicht? Auch autochthone Österreicher halten das schwer aus."
Der Gemeinderat Senol Akkilic, Integrationssprecher der Wiener Grünen, erinnert sich an einen Vorfall, der 2011 an ihn herangetragen wurde, wie er gegenüber der "Wiener Zeitung" bestätigt. Eine Mitarbeiterin soll angegriffen worden sein. Was konkret passiert sei, kann er nicht sagen. Von den Details weiß er nichts. "Von anderen Fällen ist mir nichts bekannt", sagt Akkilic. Er weiß nur von dem Alarmsystem in der Behörde. Seit fünf Jahren ist es installiert. So können sich Mitarbeiter untereinander mit einer Spezialtaste am Computer verständigen, wenn ein Kunde laut wird. Außerdem hat man auch die Raumsituation so angepasst, dass die Büros nicht in "Sackgassen" enden und der Mitarbeiter in einen anderen Raum flüchten kann, wie Gewerkschafter Pelzer erklärt. Ob das genug ist, kann er nicht sagen. "Wo ich nicht hin möchte, ist, dass dort die Polizei steht, weil dann die Emotionen noch mehr in die Höhe gehen", sagt er. Auch wenn eine Polizeipräsenz vereinzelt von Mitarbeitern gewünscht wurde.
Keine aktuellen Fälle
Barbara Reinwein, Sprecherin der MA 35, arbeitet seit drei Jahren bei der Behörde. Sie weiß von keinen tätlichen Übergriffen. Ihr wurde bisher nichts berichtet, wie sie der "Wiener Zeitung" sagt. Beatrix Hornschall, bis 2013 Leiterin der Einwanderungsbehörde und heute Vizepräsidentin des Wiener Verwaltungsgerichts, will die Fälle, die sich in ihrer Ära ereignet haben sollen, nicht kommentieren.
"Aktuell sind uns keine tätlichen Übergriffe bekannt, wo es zu körperlichen Folgen gekommen ist. Die letzten dokumentierten Fälle liegen mehrere Jahre zurück", sagt Andreas Berger, Sprecher von SPÖ-Stadträtin Sandra Frauenberger, zuständig für Integration, Frauenfragen, Konsumentenschutz und Personal. Er verstehe den Newswert nicht. Doch wozu ein Sicherheitssystem mit Notrufknöpfen unter dem Schreibtisch installieren, wenn es keine Bedrohungslage gibt? Aus der Magistratsdirektion heißt es dazu: Die MA 35 ist kein Einzelfall. In vielen Dienststellen kommt ein derartiges Sicherheitssystem zum Einsatz. Einen Auslöser gab es in der MA 35 vor fünf Jahre nicht, wie Berger erklärt. Man habe es präventiv installieren lassen.