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Ein schlechtes Zeichen für Europa

Von WZ-Korrespondent Christian Giacomuzzi

Europaarchiv

Sarkozy hofft auf Regierung Merkel. | SP sieht Niederlage der Union. | Paris. Für große Überraschung und einige Besorgnis hat das knappe Ergebnis der deutschen Bundestagswahl bei den französischen Parteien gesorgt, wenn sich die konservative Regierung in Paris auch gelassen gab. Für Europaministerin Catherine Colonna (UMP) ist das Ergebnis "nicht beunruhigend". "Die Wahlen sind demokratisch, und die deutsch-französischen Beziehungen werden dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen", sagte die Ministerin am Montag. In Bezug auf den knappen Vorsprung der Unionskandidatin Angela Merkel gegenüber der SPD sagte Colonna: "Es gibt einen Rückgang der Ergebnisse der beiden großen Parteien. Aber die Mehrheit der Deutschen hat für die Reformen gestimmt." Allerdings fügte die Europaministerin hinzu, dass Merkels teilweise "radikalen Reformen" zahlreiche Wähler "beunruhigt haben, woraus das rückläufige Ergebnis resultierte".


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Als "extrem schlimm" stufte dagegen Ex-Erziehungsminister Francois Fillon (UMP) die politische Lage in Deutschland nach den Wahlen ein. Deutschland und Frankreich leiden in den Augen des konservativen Senators "an derselben Vertrauenskrise". "Die beiden Motoren Europas leiden am selben Übel. Wir haben in den beiden Ländern eine wahre Vertrauenskrise gegenüber den Institutionen, gegenüber den politischen Parteien, die traditionellerweise regieren", sagte Fillon am Montag. Der UMP-Abgeordnete Pierre Lellouche wertete das deutsche Wahlergebnis sogar als "schlechtes Zeichen für Frankreich und für Europa. "Wenn Deutschland unstabil ist, dann bin ich als guter Franzose besorgt, und ich sorge mich, weil das noch dazu im Anschluss an das französische Referendum kommt", sagte der auf internationale Fragen spezialisierte UMP-Politiker mit Bezugnahme auf die Volksabstimmung vom 29. Mai, bei dem die Franzosen die Europäische Verfassung abgelehnt hatten.

Begeistert über das Wahlergebnis zeigte sich der französische Innenminister und Chef der Regierungspartei "Union für eine Volksbewegung" (UMP), Nicolas Sarkozy. Er gratulierte Merkel in einem offenen Brief zum "Wahlsieg" und äußerte den Wunsch, dass sie eine "solide Koalition" bilden könne. "Das Vertrauen, das Dir die deutschen Wähler bewiesen haben, bestätigt, dass die Ideen und die Werte, die wir teilen, richtig sind. Ich weiß, dass Du sie mit der Intelligenz, dem Mut und der Entschlossenheit, die Dir eigen sind, in die Tat umsetzen wirst", so Sarkozy.

Ganz andere Töne erklangen aus der Linksopposition. Der sozialistische Fraktionssprecher in der Pariser Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault (PS), führte das unter den Erwartungen liegende Unionsergebnis darauf zurück, dass die Unionskanzlerkandidatin "den Wählern Angst gemacht hat". Das Wahlergebnis sei "eine Niederlage für Frau Merkel, eine persönliche Niederlage", sagte der Sozialist. Das Programm Merkels gleiche jenem Sarkozys, der bei den französischen Präsidentenwahlen von 2007 kandidieren will, "wie ein Bruder". Es sei am Modell der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher inspiriert. Als "besonders ungerecht" kritisierte Ayrault die von Merkel geplanten Fiskalmaßnahmen, "die den Reformvorschlägen der UMP gleichen und weniger Einnahmen für die öffentliche Hand vorsehen".

Der ehemalige sozialistische Kultur- und Erziehungsminister Jack Lang (PS) bezeichnete das Wahlergebnis als "schlechte Leistung" Angela Merkels. "Die SPD und Kanzler Gerhard Schröder haben besser standgehalten als erwartet", sagte Lang und fügte hinzu: "Auf jeden Fall stellt man fest, dass der Elan der deutschen Rechten teilweise begrenzt und sogar eingedämmt wurde."