Unscheinbarer Selfmade-Milliardär. | 18,8 Milliarden Dollar schwer. | Die zehn reichsten Russen haben wieder Vermögenszuwächse. | Moskau. Die Vermögen der russischen Oligarchen wachsen wieder. Doch keiner kam so gut durch die Krise wie Wladimir Lisin. Das ist vielleicht kein Wunder, denn er hat das Stahlgeschäft von der Pike auf gelernt. Man müsse sich auf etwas konzentrieren und es besser machen als die anderen, so formuliert Lisin sein Erfolgsrezept. Daran hat sich der leidenschaftliche Tontaubenschütze sein ganzes Leben lang exakt gehalten.
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Der 53-Jährige ist einer der wenigen Oligarchen, die sich ihre Sporen bereits in sowjetischen Fabriken geholt haben. Seine Karriere begann der spätere Metallurgie-Ingenieur 1975 als Elektroschlosser in einer sibirischen Kohlenzeche. Seine ersten 800 Rubel hatte er zuvor als Hilfsarbeiter beim Bau der Baikal-Amur-Eisenbahn quer durch die unwirtliche Taiga verdient.
Zur Breschnew-Zeit war dies viel Geld. Doch daraus hat Lisin bis heute noch viel mehr gemacht: Die russische Wirtschaftszeitschrift "Finans" bewertet sein Vermögen mit 18,8 Milliarden US-Dollar. Der unscheinbare Oligarch übernimmt damit das Zepter des russischen Geldadels vom zehn Jahre jüngeren Michail Prochorow, dem ehemaligen Generaldirektor von Norilsk Nickel. Dieser ist mit 17,85 Milliarden US-Dollar "nur" noch der zweitreichste Russe. An dritter Stelle folgt Chelsea-Eigner Roman Abramowitsch mit 17 Milliarden Dollar.
Russlands Reiche atmen wieder auf
Die Finanzkrise und insbesondere der freie Fall der Rohstoffpreise hatten die Vermögen der russischen Oligarchen praktisch halbiert. Die neue Rangliste deutet nun aber daraufhin, dass es den Geldbaronen bereits wieder besser geht. Das Gesamtvermögen der zehn reichsten Russen nahm im vergangenen Jahr von 76 Milliarden auf 139 Milliarden Dollar zu. Vor der Krise lag dieser Wert allerdings bei 221 Milliarden Dollar.
Selbst der Aluminiumkönig Oleg Deripaska rangiert nun wieder mit 13,8 Milliarden Dollar auf Platz sechs. Enorme Staatshilfen halfen dem einst reichsten Russen, sein Firmenimperium zu bewahren. Er stand nach der Krise vor einem Schuldenberg von mehr als 16 Milliarden Dollar.
Am besten durch die wirtschaftlichen Turbulenzen kam jedoch Lisin. Nicht zuletzt dank seiner Erfolgsphilosophie: Lisins Prunkstück, das Hüttenwerk bei Lipezk, gilt als eines der rentabelsten in Russland. Vor allem, weil praktisch die gesamten Rohstoffe in eigenen Abbaubetrieben geschürft werden. Ein eigenes Transportunternehmen mit eigenen Häfen sorgt zudem für eine effiziente Logistik und einen reibungslosen Export in die ganze Welt.
Lisin hat sein Unternehmen darauf konzentriert, wovon er etwas versteht: auf die Metallproduktion. 2007 und 2008 expandierte der Zigarrenliebhaber sein Konglomerat, indem er in Dänemark und den USA je ein Stahlwerk hinzukaufte.
Keine Regel ohne Ausnahme: Auch Russlands neuester Geldzar macht hier und dort Beute in fremden Geschäftsfeldern. So gehört Lisin etwa die Tageszeitung "Gaseta". Seine Firma Severneftegas besitzt zudem drei Lizenzen zur Suche von Erdöl und Gas in der Barentssee.
Der Erfolg gibt dem dreifachen Familienvater recht. Allerdings verdankt er diesen nicht nur seinen unternehmerischen Prinzipien, sondern auch persönlichen Beziehungen. Mitte der 1980er Jahre war Lisin stellvertretender Direktor des Karagadinsker-Stahlkombinats in Kasachstan. Sein Vorgesetzter und späterer Geschäftspartner war damals Oleg Soskowez, der unter Boris Jelzin zum Vizepremier aufsteigen sollte.
Gemeinsam mit dem US-Geschäftsmann Sam Kislin, einem gebürtigen Ukrainer, etablierte Lisin im kriselnden Russland ein in den 1990ern weit verbreitetes Geschäftsmodell: Sie belieferten Fabriken mit Rohstoffen und erhielten im Gegenzug von ihnen verarbeitete Produkte, die sie mit einer guten Marge exportierten. "Ich kontrollierte alleine mit meiner Sekretärin 50 Prozent der russischen Roheisenexporte", prahlte Lisin 2004 gegenüber dem russischen "Forbes"-Magazin.
Während jedoch viele seiner ehemaligen Geschäftspartner heute von der Bildfläche verschwunden sind, steht Lisin nun ganz oben. Der treffsichere Hobbyschütze mit dem kurz geschnittenen Bart hat offensichtlich vieles besser gemacht als andere.