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Mahmoud Ahmadinejad hat seine Autorität schon lange eingebüßt.
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Der nächste Präsident wird im Iran zwar erst in sieben Monaten gewählt, doch der Kampf um die Nachfolge von Mahmoud Ahmadinejad, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren darf, ist bereits voll entbrannt.
Alle Gegner des Präsidenten, und von ihnen gibt es genug, haben ein gemeinsames Credo: Möge keiner der Kandidaten, die dem unliebsamen Amtsinhaber nahestehen, die geringste Chance bekommen, um ihn zu beerben. Nachdem sich auch der Oberste Geistliche Führer, Ayatollah Ali Khamenei, von seinem ehemaligen Schützling abgewandt hat, wird Ahmadinejad immer mehr zu einem "Präsidenten auf dem Abstellgleis". Auf fast allen politischen Ebenen wurde er entmachtet, darf quasi nichts mehr mitentscheiden und wird ständig öffentlich denunziert.
So muss er - ein Novum in der iranischen Geschichte - bereits zum zweiten Mal dem Parlament Rede und Antwort stehen und seine Wirtschaftspolitik, die das Land an den Rand des Kollaps geführt hat, erklären. Und das, obwohl er 2005 angetreten war, die Armut zu bekämpfen. Auch für die internationale Isolation des Landes wird er verantwortlich gemacht. Jüngster Affront gegen Ahmadinejad: Die Justiz verweigerte ihm einen Besuch im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis, wo einer seiner engsten Berater, Ali Akbar Javanfekr, einsitzt.
Das Verhältnis des Präsidenten zur Justiz ist enorm angespannt. Während das Lager Ahmadinejads seinen politischen Gegnern vorwirft, die Justiz zur Verfolgung seiner Anhänger zu instrumentalisieren, beschwert sich diese darüber, dass der Präsident die Gewaltenteilung missachte und seine Kompetenzen überschreite.
Schlammschlacht zwischen Justiz und Präsidenten
Obwohl Khamenei den obersten Führungszirkel mehrmals ermahnt hatte, keine internen Differenzen öffentlich auszutragen, liefern einander der iranische Justizchef Sadegh Larijani und Ahmadinejad eine Schlammschlacht nach der anderen.
Auf einen Brief Larijanis an Khamenei, in dem er sich beim Ayatollah über die Machenschaften des Präsidenten beschwert hatte, antwortete Ahmadinejad mit einem öffentlichen Brief an Khamenei, in dem er "Manipulationen" gegen seine Person durch die Justiz beklagte.
Viele Medien und Beobachter tadelten den Präsidenten. Ein Insider in Teheran monierte gar: "Der Präsident verhält sich wie ein kleines Kind, das beleidigt in der Ecke sitzt und schmollt." Der Chefredakteur einer der größten Zeitungen des Landes wurde noch deutlicher: "Was hat den Präsidenten dazu bewogen, solche Ungeheuerlichkeiten gegen den Chef der Justiz zu starten?"
In das Lager der Ahmadinejad-Kritiker gesellen sich neben der Allianz der Larijani-Brüder Sadegh und Ali (Parlamentspräsident) auch die Pragmatiker rund um den größten Widersacher des Staatschefs, Schlichtungsratschef Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, sowie die geistliche Elite des Landes. Zu ihr zählen vor allem Ayatollah Ahmad Jannati, der Vorsitzende des Wächterrates, und Mohammad Reza Mahdavi-Kani, der Leiter des Expertenrates.
Die erste öffentliche Demütigung des glücklosen Hardliners Ahmadinejad vor den Augen der Weltpresse erfolgte bereits im Sommer 2011, als er Geheimdienstminister Heydar Moslehi entlassen wollte, Khamenei ihn aber deutlich in die Schranken wies und die Entlassung aufhob. Ahmadinejads beleidigte Reaktion darauf - eine elftägige Amtsausübungsverweigerung - brachte dem Präsidenten nur noch mehr Spott ein.
Als er im September nach der UNO-Vollversammlung in den Iran zurückkehrte und erfuhr, dass Javanfekr in seiner Abwesenheit verhaftet worden war, bot Ahmadinejad erbost seinen Rücktritt an und war abermals beleidigt: "Es ist in wenigen Sekunden geschehen - eine Unterschrift, und ich bin weg, wenn ihr glaubt, dass ich an allem schuld sei." Iran-Experten fragen sich nun, ob er auch nach dem verweigerten Gefängnis-Besuch und wegen der Parlamentsanhörung wieder den Beleidigten spielen wird.