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Ein Schock allein ist verkraftbar

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Würden mehrere Probleme gleichzeitig auftreten, hätte dies aber massive Folgen.


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Wien/Peking/Washington. Für manche Experten sind sie die tickenden Zeitbomben des globalen Finanzsystems: Unter den größten zwanzig Banken der Welt - gemessen an der Bilanzsumme - fanden sich zum Halbjahr 2011 bereits vier Geldinstitute aus China. Zwei von ihnen führten per Ende 2010 sogar das weltweite Branchenranking nach Marktkapitalisierung an. Die hohe Abhängigkeit der Banken im Reich der Mitte vom Eigentümer Staat sowie von Großkunden, die wiederum dem Staat gehören, und andere strukturelle Risiken sorgen jedoch bei Beobachtern seit längerem für Stirnrunzeln.

Nun hat der Internationale Währungsfonds (IWF) erstmals eine formelle Analyse des chinesischen Finanzsystems vorgenommen - und die Führung in Peking zu zahlreichen Reformen aufgerufen. "Chinas Banken und Finanzsektor sind gesund, aber es existieren Schwächen, bei denen die Behörden ansetzen sollten", erklärt IWF-Experte Jonathan Fiechter. "Während die jetzige Struktur hohe Spareinlagen und Liquidität fördert, schafft sie auch das Risiko einer Fehlallokation von Kapital und der Bildung von Blasen - besonders im Immobilienbereich", meint Fiechter. "Die Kosten solcher Verzerrungen werden mit der Zeit wachsen, deshalb wäre es besser, sie früher anzugehen als später." Als kurzfristige Risiken nennt der IWF eine Verschlechterung der Kreditqualität durch die starke Ausweitung der Kreditvergabe, zunehmende Umschichtungen in den weniger kontrollierten Bereich sogenannter Schattenbanken und in Geschäfte außerhalb der eigentlichen Bankbilanzen, einen Abschwung auf dem Immobilienmarkt sowie Unsicherheiten bezüglich der globalen Wirtschaftsentwicklung.

Banken von Politik trennen

Nach einem Stresstest der 17 größten Geschäftsbanken kommen die Prüfer zu dem Schluss, dass diese Institute isolierte Schocks verkraften könnten. Der Stresstest steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass aufgrund der Datenlage und -zugänglichkeit eine vollständige Einschätzung nicht möglich gewesen ist. Auf alle Fälle sieht der IWF jedoch massive Folgen, wenn mehrere Risiken gleichzeitig schlagend würden.

Tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Krisen oft weitverzweigte Auswirkungen haben. Generell rät der Währungsfonds der chinesischen Führung, die Politik besser vom Bankgeschäft zu trennen. Die Regierung sollte das Banksystem nicht dazu verwenden, um breitere politische Ziele zu erreichen. Unter anderem hat Peking auf die vergangene Wirtschaftskrise mit einer massiven Ausweitung des Bankkreditvolumens reagiert. Experten fürchten nun, dass viele Kredite faul werden könnten.

Der IWF fordert, dass Banken Kreditentscheidungen auf Basis geschäftlicher Ziele treffen. Demzufolge sollten Zinsen das primäre Instrument zur Steuerung des Kreditwachstums sein, nicht behördliche Limits.

Bessere Aufsicht soll her

Als Vorbedingungen für eine Reform sieht der IWF unter anderem die Einrichtung einer funktionierenden Aufsicht, die Verbesserung der Unternehmensführung und die frühe Abschöpfung von zu hoher Liquidität auf dem Markt.

Was das Eigenkapital anbelangt, finden sich laut dem Informationsportal "The Banker" drei chinesische Institute unter den weltweiten Top-10. Laut "Economist" verfügt China darüber hinaus über drei der fünf profitabelsten Banken weltweit.