Nach der ersten Volksabstimmung zur EU-Verfassung wollen die europäischen Regierungen mit dem spanischen Ergebnis werben. Doch nicht in allen Staaten spricht sich eine deutliche Mehrheit für das Vertragswerk aus. Unterdessen beschäftigen sich auch die nationalen Parlamente mit dem Dokument.
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Die breite Zustimmung war zu erwarten. Am Sonntag stimmten 76,7 Prozent der Spanierinnen und Spanier für die erste europäische Verfassung, lediglich 17,3 Prozent votierten dagegen. Und so niedrig wie befürchtet war die Wahlbeteiligung denn doch nicht - auch wenn die 42,3 Prozent nicht von regem Interesse zeugten.
Stolz verkündete Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero: "Wir Spanier haben europäische Geschichte geschrieben". Er lud andere EU-Länder ein, dem spanischen Beispiel zu folgen. Als Signal wertete das Votum auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Spanien habe Ja zu Europa und Ja zur Zukunft, erklärte er. Zwar ist das Ergebnis des Referendums nicht bindend, die Ratifizierung hängt vom Parlament ab. Doch Zapatero hatte mehrmals betont, der Volksentscheidung zu folgen.
Ob das spanische Votum seine Vorbildwirkung entfalten kann, wird sich etwa bei den Abstimmungen in Großbritannien und Dänemark zeigen, wo die Skepsis gegenüber der EU-Verfassung größer ist. Auch in Frankreich wächst die Zahl der Gegner des Vertragswerks - auch wenn sich dies nicht unbedingt gegen das Dokument selbst wendet. Kommentatoren befürchten eine "Denkzettel-Wahl" für Präsident Jacques Chirac. Dieser drängt daher auf eine baldige Abstimmung, um einem Stimmungsumschwung zuvor zu kommen. Nichtsdestotrotz gehen die Vorarbeiten zur Ratifizierung in Paris gut voran. In der Vorwoche verabschiedete auch der Senat mit großer Mehrheit Änderungen der Landesverfassung, die künftig Verweise auf den europäischen Text enthalten soll.
Auch in Berlin begann das parlamentarische Verfahren zur Ratifizierung. Die Beratungen sollen bis Juni abgeschlossen werden. In Wien stimmte der Verfassungsausschuss des Nationalrats einhellig einem Bundesverfassungsgesetz zu, das die Voraussetzung für die Ratifikation der Verfassung bildet. Die Genehmigung bedarf einer Zweidrittelmehrheit im National- und Bundesrat.
Eine Ratifizierung per Parlamentsbeschluss erfolgt wahrscheinlich in fünfzehn EU-Staaten. In Litauen, Ungarn und Slowenien ist dies bereits geschehen.