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Ein Schutzdach für Inländerjobs

Von Clemens Neuhold

Politik

Wie das Burgenland heimische Firmen gegenüber ungarischen bevorzugt.


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Wien. Sascha, der Maurer. Er war für viele der Held der "Puls4-Newsarena", in der sich Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger am Dienstag Abend den Fragen von Bürgern stellten.

Erst sagt der junge Mann mit der Baseballkappe den Politikern im Anzug unwirsch ins Gesicht, dass sie aus seiner Sicht an den Fragen der Menschen vorbeiredeten. Dann kam er zu seiner Frage, die ihn existenziell beschäftige: die Konkurrenz durch ungarische und rumänische Arbeiter und den Druck, den diese Kollegen auf seinen Lohn ausüben würden. In einem Betrieb im Einzugsgebiet zu Ungarn beschäftigt würden ihm die "vielen ausländischen Kennzeichen" Sorgen bereiten. Sein Opa habe recht gehabt, wenn er meinte, dass es immer schlimmer werde. "Muss ich in fünf bis zehn Jahren noch billiger arbeiten als einer, der aus dem Ausland hereinkommt?"

Dem sozialdemokratischen Landeshauptmann des Burgenlands, Hans Niessl, sind diese Ängste der Arbeiter vor der ungarischen Konkurrenz vertraut. Offiziell pendeln etwa 12.000 Ungarn ins Burgenland und wieder über die Grenze. "Sascha hat recht, die Zahl der Tagespendler ist gestiegen", sagt Niessl. "Das Dreifache bis Vierfache zu verdienen ist ein gewaltiges Motiv." Beim AMS Burgenland bestätigt man die steigende Tendenz und die Zahl von 12.000 - bei insgesamt 100.000 unselbständig beschäftigten Burgenländern - es gab jedoch keine großen Sprünge.

Aus dem Tourismus und den Weinbergen sind die Ungarn nicht mehr wegzudenken. Niessl sorgt sich eher um die rund 8000 Jobs im Bau- und Baunebengewerbe. Diese will er nun durch einen "Schutzschirm" für burgenländische Betriebe stärken, erklärt er der "Wiener Zeitung".

Dafür hat er die Initiative "Bau aufs Burgenland" gestartet. Diese richtet sich an Land, Gemeinden und Baugenossenschaften. Diese "Partner" sind angehalten, Aufträge größtenteils an burgenländische Betriebe zu vergeben. Die Initiative ist freiwillig, aber Niessl sagt dazu: "Die Genossenschaften bekommen über 30 Millionen Euro Wohnbauförderung, da gehe ich schon davon aus, dass sie kooperativ sein werden."

Alle, die mitmachen, verpflichten sich, keine Aufträge an Firmen zu vergeben, die Lohn- und Sozialdumping betreiben, und zwar "runter bis zur Sub-Sub-Subfirma". Um das sicherzustellen, gibt es einen strengen Kriterienkatalog. So dürfen Subfirmen nur unter Zustimmung des Auftraggebers beschäftigt werden und müssen, sowie die Mitarbeiter, namentlich genannt werden. Dazu braucht es einen Überblick über den Beschäftigungsstand. Besonders letztere Bestimmung dürfte für ungarische Anbieter, die oft Einpersonen-Firmen beschäftigen und es mit der Bürokratie nicht so haben, eine große Hürde sein.

"Wir sagen: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort", sagt Niessl. Ungarische Betriebe würden burgenländische nicht selten um bis zu 40 Prozent unterbieten, weil sie niedrigere Personalkosten hätten.

Vor ungarischen Protesten gegen die Aktion fürchtet sich der Landeshauptmann nicht: "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben." Ebenso wenig sieht er die Aktion im Widerspruch zur EU-Freiheit von Arbeitnehmern und Dienstleistungen. "Bei Direktvergabe eines Auftrages bis zu 100.000 Euro kann eine Gemeinde die Leistung an ein frei gewähltes Unternehmen vergeben." Selbst bei Aufträgen bis zu einer Million könnte man burgenländische Betriebe stärken. Dafür seien drei "befugte" Unternehmen auszuwählen.

Das Burgenland orientiert sich mit der Aktion an der deutschen Stadt Bremen. Dort habe man "gelernt, wie weit man gehen darf", sagt Niessl. Der Landeshauptmann, der die Aktion am Donnerstag gemeinsam mit dem Chef der Baugewerkschaft, präsentiert, hofft, dass sich private Häuslbauer ein Vorbild daran nehmen.

Es sei nämlich gang und gäbe, dass der Kellerbau oder die neue Fassade zu Dumpinglöhnen von Ungarn errichtet werde. "Das wird zu wenig kontrolliert."

Deswegen wünscht sich Niessl, der seit Jahresbeginn auch Chef der Landeshauptleute-Konferenz ist, vom neuen Finanzminister, Michael Spindelegger, mehr Finanzpolizisten fürs Burgenland. Denn die Zahl der Scheinfirmen steige ständig. 20 Kontrolleure für das ganze Bundesland seien aber zu wenig. Bei Spindeleggers Vorgängerin, Maria Fekter, hat sich Niessl die Zähne ausgebissen. Die Zahl der Beamten wird nämlich nach Größe des Bundeslandes bestimmt.

"Wir haben eine Grenze zu drei neuen EU-Ländern. Das kann man so nicht rechnen. Das Burgenland ist von der Freizügigkeit viel stärker betroffen als der Westen des Landes."

Wie stark der Zustrom von Rumänen und Bulgaren ist, kann Niessl noch nicht beurteilen. Für diese gilt der freie Zugang auf den europäischen Arbeitsmarkt seit Anfang 2014, was in ganz
Europa - durch Fakten kaum gestützte - Debatten über "Sozialtourismus" ausgelöst hat.

Wie stark der Zustrom sei, müsse man beobachten, sagt Niessl. Seinen "Schutzschirm" für sieht er als "präventive Maßnahme".