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Ein schwarzer Fleck auf dem Gewissen Europas

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Eine Entschädigung von durchschnittlich 5.000 DM für KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter forderte Mittwoch Karol Gawlowski von der "Vereinigung der durch das 3. Reich geschädigten Polen" in einer | Pressekonferenz in Wien. Von etwa 150.000 Polen, die zwischen 1939 und 1945 in Österreich Zwangsarbeit leisten mußten leben noch 20.000, zum Teil unter ärmlichen Umständen.


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Gemeinsam mit dem Vorstand seiner Vereinigung, dem Parlamentsabgeordneten Miroslaw Podsiadlo, und zwei Vertretern der Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung", Jacek Turczynski und Darius

Pawlos, führte Gawlowski, der in der NS-Zeit in zwölf Nazigefängnissen war · 3 davon in Österreich · in den letzten Tagen zahlreiche Gespräche in Österreich, in denen er auf die unbefriedigten

Forderungen polnischer Zwangsarbeiter aufmerksam machte. Zu den Gesprächspartnern der polnischen delegation gehörten u.a. der zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser, Hanna Lessing vom

Nationalfonds, Bauernbundchef Georg Schwarzenberger, die Generalsekretäre von Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, Georg Stummvoll und Johann Fritz, DÖW-Chef Wolfgang Neugebauer, LIF-

Abgeordneter Volker Kier und Vertreter des Sozialministeriums. Neisser habe zugesagt, die Frage der Zwangsarbeit im Rahmen der neugebildeten Historikerkommission zu behandeln, sagte

Podsiadlo, der betonte, daß die Zeit der Lippenbekenntnisse vorbei sein müsse und jetzt angesichts der Tatsache, daß täglich Opfer sterben, konkrete Dinge gefordert sind.

Die Vertreter der polnischen Zwangsarbeiter wiesen darauf hin, daß deutsche Unternehmen wie VW, BMW und Siemens positive Signale für die Entschädigung von Zwangsarbeitern gesetzt haben, ähnliche

Schritte von österreichischen Unternehmen, die von Zwangsarbeit profitiert haben, aber noch ausstehen. Es wurde außerdem auf bevorstehende Klagen in den USA gegen Firmen, die während der NS-Zeit

Zwangsarbeiter beschäftigten verwiesen, die man durch eine rasche Erledigung der Anliegen überflüssig machen könnte.

Das unerledigte Problem der Entschädigungen der Zwangsarbeiter sei ein schwarzer Fleck auf dem gewissen Europas, betonte Jacek Turczynski, der auch der Hoffnung Ausdruck gabe, daß die

Entschädigungen nicht von Nationalitäten und Pässen abhängig gemacht wird.

Er schlug auch vor, die Zwangsarbeiterentschädigungen durch einen Fonds zu leisten, der aus drei Quellen gespeist werden soll: von Firmen, die von Zwangsarbeit profitierten, vom Staat Österreich, der

Eigentümer von mindestens vier Unternehmen ist, die in der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigten und von den Bauernverbänden, da mehr als die Hälfte der polnischen Zwangsarbeiter zwischen 1939 und

1945 in der Landwirtschaft eingesetzt waren.

In einer vorgelegten Dokumentation wurde dargelegt, daß 57 Prozent der zu Zwangsarbeit verpflichteten Polen in der Landwirtschaft und 37 Prozent in Industriebetrieben beschäftigt waren, 57

Prozent waren Männer und 43 Prozent Frauen. Durchschnittlich mußten sie drei jahre lang Zwangsarbeit leisten. Sie mußten wie KZ-Häftlinge Kennzeichen tragen, waren meist unter unmenschlichen

Bedingungen in Massenquartierten untergebracht und unzureichend mit Lebensmitteln versorgt.

Auch wurden ihnen die elementarsten Menschenrechte vorenthalten. So wurden ihnen etwa religiöse Betätigung und Eheschließungen untersagt, sexuelle Beziehungen mit Bürgern des Deutschen Reiches waren

bei Todesstrafe verboten.