Erste Auslieferung eines Abgeordneten seit 27 Jahren. | Lega Nord stimmte mit der Opposition. | Fininvest zahlt 560 Millionen Euro Entschädigung.
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Rom. Erstmals seit 27 Jahren - damals wurde der neofaschistische Abgeordnete Massimo Abbatangelo wegen eines Angriffs auf ein KPI-Parteilokal in Neapel ausgeliefert - hat das italienische Parlament am Mittwochabend der Festnahme eines Abgeordneten zugestimmt. Mit 319:293 Stimmen wurde dem Antrag der Staatsanwaltschaft Neapel auf Verhaftung des PdL-Abgeordneten Alfonso Papa stattgegeben. Papa wird vorgeworfen, gemeinsam mit anderen die geheime Organisation P4 gegründet zu haben und mit dieser dank Insiderwissen ranghohe Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft erpresst zu haben, um sich Aufträge und Posten zu sichern.
Regierungschef Silvio Berlusconi hatte seinen Parteifreund bis zuletzt verteidigt und das Parlament aufgefordert, den Haftantrag abzulehnen. Papa selbst hatte vor der Abstimmung seine Unschuld beteuert. All das hielt die Abgeordneten der Koalitionspartei Lega Nord aber nicht davon ab, gemeinsam mit der Opposition für die Festnahme Papas zu stimmen.
Berlusconi über
Lega Nord empört
Berlusconi reagierte empört auf das Abstimmungsergebnis, schlug mit der Faust auf den Regierungstisch und verließ dann kommentarlos das Parlament. Es gilt als äußerstes Alarmzeichen für den Premier, dass die Lega Nord, deren Chef Umberto Bossi am Mittwoch nicht im Parlament anwesend war, die Regierungsmehrheit gesprengt hat.
Am Donnerstag gab es noch eine heftige Debatte darüber, dass die Lega-Abgeordneten rund um Innenminister Roberto Maroni ihr Abstimmungsverhalten trotz geheimer Abstimmung publik gemacht haben. Und führende Lega-Politiker, wie der Vize-Infrastrukturminister Roberto Castelli, kündigten auch bereits an, gegen die Regierungsvorlage zur Finanzierung der Militärmissionen im Ausland zu stimmen. Die für Donnerstag vorgesehene Abstimmung wurde inzwischen auf die kommende Woche verschoben.
Auseinandersetzungen mit der Lega gibt es auch über ein Regierungsdekret, mit dem die chronische Müllkrise von Neapel gelöst werden soll. Die Lega macht ihre Zustimmung davon abhängig, dass die Abfälle im Süden bleiben. Das Dekret sieht auch die Möglichkeit vor, dass Müll von einer Region in eine andere transportiert werden darf, um dort entsorgt zu werden.
Und darüber hinaus hat Berlusconi mit seinen zahllosen Justizproblemen zu kämpfen. Jetzt wird auch wegen mutmaßlicher Beeinflussung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt RAI ermittelt, weil der Premier versucht haben soll, die regierungskritische Sendung "Annozero" seines Widersachers Michele Santoro aus dem Programm zu kippen.
Berlusconis TV-Holding Fininvest wird kommenden Dienstag trotz eines Einspruchs gegen das Urteil die Entschädigung von 560 Millionen Euro an den Industriekonzern CIR des Großunternehmers Carlo De Benedetti zahlen. Fininvest war vor zwei Wochen von einem Mailänder Berufungsgericht zu der Entschädigungszahlung verurteilt worden, weil Berlusconi sich 1991 einen Richterspruch erkauft hatte, mit dem er die Kontrolle über das Verlagshaus Mondadori und damit über wichtige Zeitungen erhielt.