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Der Tod von Atiyah Abd al-Rahman reduziert die Möglichkeiten des Terrornetzwerks, | einen neuen Mega-Angriff gegen die USA zu inszenieren.
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Es mag so aussehen, als ob der Tod von Atiyah Abd al-Rahman durch einen Drohnenangriff in Pakistan nur ein weiteres Unglück sei, das die Al-Kaida-Führung trifft. Er ist allerdings ein entscheidender Schlag für die Gruppe, die früher Osama bin Laden umgab.
Al-Rahman war Bin Ladens Verbindung zur Welt. Die Korrespondenz der beiden ist der wertvollste Fund aus dem Versteck des Terrorpaten. Sie unterhielten sich über alles: Strategien, Personal, Operationen, Rückschläge. Der Faden, der die Al Kaida zusammenhielt, ging nach Bin Ladens Tod am 2. Mai an Al-Rahman über.
Der Tod des in Libyen geborenen Al-Kaida-Führers reduziert die Möglichkeiten der Al Kaida, einen neuen Mega-Angriff gegen die USA zu inszenieren. Er bringt die Führung der Al Kaida dem Untergang näher und vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Schwerpunkt der Organisation von den Stammesgebieten in Pakistan zu einer der Zweigstellen verlagert, zum Beispiel zu der robusten Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel.
Al-Rahman wurde kürzlich von einem ranghohen US-Regierungsbeamten als wichtigster Al-Kaida-Führer genannt. Ayman al-Zawahiri, der formale Nachfolger Bin Ladens, sei zweitrangig, mehr ein Führer des ägyptischen Flügels als einer der gesamten Al Kaida, sagte er: Es wäre im Interesse der USA, wenn Zawahiri, nicht Al-Rahman, das Sagen hätte, weil Zawahiri ein entzweiender Charakter sei, dessen Ad-hoc-Taktiken Amerika weniger gefährden würden.
Al-Rahman und Bin Laden diskutierten auch häufig die Frage, ob das grausam gewalttätige Vorgehen die Muslime in jenen Ländern, in denen die Al Kaida operiert, entfremden könnte. Das führte 2005 zu einem interessanten Sendschreiben von Al-Rahman an Abu Musab al-Zarqawi, den Al-Kaida-Chef im Irak, in dem Al-Zarqawi kritisiert wird, weil er mit seiner Kampagne der verbrannten Erde gegen die USA und deren Verbündeten schiitische Muslime angreife.
In den vergangenen Jahren sprachen Al-Rahman und Bin Laden über die Gefahr, nach einem islamischen "Kalifat" in Gegenden zu trachten, in denen die Al Kaida stark ist, da dieser extremistische Zug andere Muslime wahrscheinlich abschrecken würde. Besser wäre es, überlegten die beiden, weiter die USA anzugreifen.
Von besonderer Bedeutung ist Al-Rahmans Tod in Bezug auf den 10. Jahrestag der Terroranschläge auf die USA vom 11. September 2001 - und das nicht nur aus symbolischen Gründen. Bin Laden hatte mit Al-Rahman an einem Plan für ein Attentat gegen ein Ziel in den USA zum 9/11-Jahrestag gearbeitet. Wie weit diese Pläne fortgeschritten waren, ist unklar. Aber wie weit sie auch immer gewesen sein mögen, die Planung wurde wohl gestört, wenn nicht zerschlagen vom Tod des Mannes, den Bin Laden mit der Organisation der Details beauftragt hatte.
Unklar ist auch, wie die CIA es geschafft hat, Al-Rahman beim Angriff über Nordwaziristan am 22. August ins Visier zu bekommen und wie er seine Zuflucht dort so lange behaupten konnte. Fest steht, dass er Opfer eines Angriffs mit Predator-Drohnen wurde, also jenen Waffen, über die er und Bin Laden sich in ihrer Korrespondenz so bitter beklagten. Er hatte seinem Chef mitgeteilt, dass "der Geheimdienstkrieg", wie es Bin Laden nannte, es für die Al Kaida nahezu unmöglich machte, sich in den pakistanischen Stammesgebieten frei zu bewegen, sich zu verständigen, Nachwuchs zu rekrutieren und auszubilden. Sie sprachen darüber, das Hauptquartier der Al Kaida an einen sichereren Ort zu verlegen. Dieser Umzug wird nun wahrscheinlicher.
Übersetzung: Redaktion
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".