Mit der Ernennung des Geheimdienst-unerfahrenen Leon Panetta zum Chef der CIA hat Barack Obama eine überraschende Entscheidung getroffen, unter dem Strich aber eine gute.
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Auf den ersten Blick ist es eine verblüffende Wahl: Barack Obama ernennt einen früheren Kongress-Abgeordneten ohne jede professionelle Geheimdiensterfahrung zu seinem Chef-Spion. Will Obama der CIA schaden? Will er den schwer angeschlagenen Geheimdienst noch mehr politisieren? Was will er mit der Bestellung Leon Panettas zum CIA-Chef erreichen?
Berater Obamas haben versucht zu erklären, worauf der künftige US-Präsident mit dieser bemerkenswerten Wahl hinauswill: Panetta ist in Washington ein Schwergewicht mit der politischen Macht, die CIA zu schützen und ihr zu helfen, sich nach den acht traumatisierenden Jahren unter US-Präsident George Bush zu erholen. "Die CIA braucht jemand, der sie gut vertreten kann", erklärte ein Mitglied aus Obamas Team.
Dieses Argument für Panetta klingt sinnvoll. Idealerweise hätte man als nächsten CIA-Chef jedoch einen erfahrenen Geheimdienst-Mitarbeiter erwartet, jemand wie den jetzigen stellvertretenden Leiter Steve Kappes. Tatsache ist aber, dass den US-Geheimdienstlern im Moment die politische Kraft fehlt, sich gegen Kritiker und Besserwisser zu wehren. Das ist der Kern des Problems: Die CIA muss erst wieder politische Unterstützung gewinnen, bevor sie entpolitisiert werden kann. Noch etwas zeigt die Wahl Panettas: Obamas Absicht, starke Persönlichkeiten für Schlüsselpositionen zu finden. Als Stabschef des Weißen Hauses in der zweiten Regierung Clinton war Panetta einer der wenigen, die es schafften, den großen Appetit Bill Clintons zu zügeln.
Eine kleine Umfrage unter CIA-Mitarbeitern deutet auf Unterstützung für Panetta hin - von einer Belegschaft, die dafür bekannt ist, nicht leicht zufrieden zu sein und Chefs, die sie nicht will, recht wirkungsvoll zu sabotieren. "Zum Glück ist es keiner vom Militär", sagte ein früher CIA-Mitarbeiter, der wie viele seiner Kollegen gegen den wachsenden Einfluss von pensionierten Generälen beim US-Geheimdienst ist.
Dennis Blair soll die Ernennung Panettas ergänzen: Er wird Mike McConnell als DNI (als Director of National Intelligence) nachfolgen. Auch Blair ist - nach dem früheren CIA-Chef und pensionierten Air-Force-General Michael Hayden und dem pensionierten Admiral McConnell - ein Admiral in Pension. Von Obamas Beratern ist dazu zu hören, dass er sein neues Amt, nämlich den gesamten US-Geheimdienst zu koordinieren, mit "leichter Hand" ausführen wird. Er werde auf keinen Fall versuchen, Managementfunktionen, die bereits die CIA erfüllt, zu verdoppeln - wie das McConnell vorgeworfen wurde.
Blairs Aufgabe wird es laut Obamas Beratern sein, die 2004 erfolgte Umgestaltung des US-Geheimdienstes zu rationalisieren, denn diese funktioniere nicht richtig: zu viele DNI-Mitarbeiter, zu viel interner Streit. Blair wird vermutlich sehr rasch für weniger Personal und eine schlankere Organisation sorgen.
Mit dem medienpräsenten Panetta als CIA-Chef und einem mehr im Hintergrund agierenden Blair als DNI wird sich das Kräfteverhältnis im US-Geheimdienst etwas verschieben - zugunsten der CIA. Ausländische Geheimdienste werden wieder wissen, an wen sie sich wenden sollen, nämlich an die CIA, wie Obamas Berater ankündigen. Die Verwirrung, für die McConnell als DNI gesorgt hatte, soll nun vorbei sein.
Obama verfügt zwar selbst über keine geheimdienstliche Erfahrung, aber wie man von Insidern hört, hat er sich seit seiner Wahl mit der für ihn typischen anwaltlichen Sorgfalt intensiv in den Sumpf der Geheimdienstwelt vertieft. Mit der Ernennung Panettas hat er eine überraschende Entscheidung getroffen, aber unter dem Strich eine gute.
Übersetzung: Redaktion