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Die Pensionisten sind bei SPÖ und ÖVP die größte Wählergruppe - und die EU-kritischste.
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Wien/Brüssel. Je mehr man sich mit Politik beschäftigt, desto komplizierter wird die Angelegenheit. Das gilt nicht für inhaltliche, sondern auch für so banale Fragen wie die, welcher Politiker hineinkommt und welcher nicht.
Theoretisch ist dabei alles recht simpel: Die insgesamt 6,4 Millionen Wahlberechtigten entscheiden am 25. Mai über 18 (2009 waren es noch 17, derzeit sind es 19) zu vergebende Mandate. Um zumindest ein Mandat zu erringen, muss die kandidierende Liste die in Österreich gültige Sperrklausel von 4 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen schaffen. Bei einer zu befürchtenden Wahlbeteiligung von plus/minus 40 Prozent (2,56 Millionen) entspricht die Prozenthürde rund 102.000 Stimmen am Wahlabend.
Aus heutiger Sicht können ÖVP und SPÖ mit jeweils vier sicheren Mandaten rechnen, die Fünften auf der Liste - bei der ÖVP ist dies Seniorenkandidat Heinz Becker, bei der SPÖ Josef Weidenholzer - rangieren auf einem sogenannten Kampfmandat. Die Chance, nach vorne zu rücken, bietet ein Vorzugsstimmen-Walhkampf: Wer zumindest 5 Prozent der für eine Partei abgegebenen Stimmen auf sich vereint, klettert nach oben. Genau das ist Beckers erklärtes Ziel.
Gemessen an den derzeitigen Umfragen, die der ÖVP rund 24 Prozent bescheinigen, entspricht diese Hürde circa 32.000 Vorzugsstimmen. Becker würde damit die Kandidatin der ÖVP-Westachse, die Salzburgerin Claudia Schmidt, verdrängen.
Entscheidend für das Wahlergebnis sind traditionell die rund 2,1 Millionen Wahlberechtigten über 60 Jahre. Zuletzt betrug der Wähleranteil der Senioren bei ÖVP und SPÖ jeweils rund 40 Prozent - die Älteren sind also insbesondere für die beiden Regierungsparteien das weitaus wichtigste Segment (siehe Artikel oben); noch dazu weisen diese seit jeher eine überdurchschnittlich hohe Wahlbeteiligung auf. Genau dieser Umstand stellt SPÖ und ÖVP aber auch vor die größte Herausforderung, denn die Senioren sind nicht nur ihre zahlenmäßig größten und treuesten Unterstützer, sondern auch die mit Abstand EU-kritischsten. Das verlangt den beiden pro-europäischen Regierungsparteien keinen geringen Spagat und manche subtile Doppelstrategie ab, etwa die Kampagne der Wiener SPÖ, die vor einem Anschlag der EU auf den sozialen Wohnbau warnt. Denn natürlich werfen insbesondere die EU-skeptischen Parteien wie FPÖ, Rekos oder BZÖ ein begehrliches Auge auf die Gruppe der Pensionisten.
Es gibt noch ein großes Fragezeichen bei dieser EU-Wahl: Was wird aus den mehr als 500.000 Wählern, die 2009 die Liste von Hans-Peter Martin angekreuzt haben, der diesmal nicht mehr antritt? Bleiben diese zu Hause, kehren sie zur SPÖ zurück, für die Martin einst 2004 antrat, wählen sie mehrheitlich FPÖ?
Angesichts von 305.000 zahlenden Seniorenbund-Mitgliedern scheint das Ziel von 32.000 Vorzugsstimmen für Becker aber dennoch erreichbar. Allerdings hält der Modus für die EU-Wahl noch eine durchaus beachtliche Hürde auf: Anders als etwa bei Nationalrats- oder Landtagswahlen können die Wähler am 25. Mai nicht einfach nur den Kandidaten ihrer Wahl ankreuzen, sie müssen diesen eigenhändig eintragen. Erfahrungsgemäß ist dies für Ältere keine kleine Hürde.