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Ab Jänner übernimmt Griechenland EU-Ratsvorsitz.
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Brüssel/Athen. In der Zielgeraden vor Griechenlands Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Jänner 2014 war es Außenminister Evangelos Venizelos vorbehalten, Klartext zu reden. Bei einer Rede vor Griechenlands Gesellschaft für Internationales Recht und Außenpolitik sagte er, Europa brauche "eine neue Erzählung", um das auf dem Kontinent "herrschende Klima der Europaskepsis", welches "beunruhigende Ausmaße" angenommen habe, "umzukehren".
Die Debatte über die Zukunft von Sozialstaat, Rechtsstaat und institutioneller Gleichheit zwischen den EU-Mitgliedstaaten sei von besonderer Bedeutung, hob Venizelos hervor. Vor allem mit Blick auf Letzteres monierte der bullige Vorsitzende der in Athen mitregierenden Pasok-Sozialisten: "Es gibt Länder in der EU, die entscheiden, und andere Länder, die dazu getrieben oder gezwungen werden, (diese) Entscheidungen zu akzeptieren. Diese Praktiken geben den Euroskeptikern Nahrung und werfen Fragen zur Demokratie in der EU auf." Griechenland sei entschlossen, "aktiv zum Kampf gegen die Krise und die neuen Formen der Europaskepsis beizutragen", unterstrich er.
Wenig Zeit wegen bevorstehenden EU-Wahlen
Venizelos und Co. bietet sich nun aus Anlass der EU-Ratspräsidentschaft die Gelegenheit, den Worten Taten folgen zu lassen. Ob der Athener Koalition unter dem konservativen Premierminister Antonis Samaras, die seit Juni 2012 mit einer mittlerweile hauchdünnen Mehrheit regiert, mit dem Vorsitz in Europa jedoch der große Wurf gelingt, bleibt abzuwarten. Feststeht jedenfalls: Athen will in seiner Amtszeit viele laufende Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene abschließen. Doch die Zeit drängt. Denn bereits im April geht das EU-Parlament in die Europawahlpause - die Griechen müssen sich sputen.
Athen hat dabei viel zu tun: Ab Jänner soll die Reform der Währungsunion vorangetrieben und die Bankenunion vollendet werden. Etliche Parlamentarier in Europa laufen hinsichtlich der Ausgestaltung im Detail aber Sturm. Anfang des neuen Jahres liegt überdies das Augenmerk wieder auf dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA. Ferner soll ab Jänner die sogenannte Jugendgarantie umgesetzt werden, mit der allen arbeitslosen Europäern unter 25 Jahren ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz angeboten werden soll. Rund 60 Prozent der jungen Griechen sind derzeit ohne Job, viele wandern aus - notgedrungen. Obendrein hat Griechenlands Regierung bereits erklärt, dass die illegale Einwanderung, Grenzsicherung und die europäische Sicherheit zu den Prioritäten ihrer Amtszeit zählen werden. Kein Wunder: Erst in diesen Tagen las die hellenische Küstenwache vor der Hafenstadt Pilos im Südwesten des Peloponnes ein Boot mit mehr als einhundert illegalen Einwanderern aus dem Mittleren Osten auf, darunter eine schwangere Frau und Kinder.
Die griechische Regierung hat angekündigt, ihre EU-Ratspräsidentschaft besonders sparsam zu gestalten. Mit einem Budget von 50 Millionen Euro würden die Kosten deutlich niedriger liegen als in der Vergangenheit, erklärte etwa Athens Vize-Außenminister. Zum Vergleich: Länder wie Österreich oder Slowenien gaben für ihre Ratspräsidentschaft jeweils zwischen 70 und 80 Millionen Euro aus. In Frankreich brachte es Ex-Präsident Nicolas Sarkozy sogar auf 175 Millionen Euro.
Sparen beim EU-Prunk mit gesponserten Autos
Athen spart. Etwa sollen alle 140 Ereignisse und Treffen des Ministerrates in der Hauptstadt stattfinden. So sollen Reise- und Personalkosten auf ein Minimum reduziert werden. Insgesamt rechnet Griechenland wegen seiner Ratspräsidentschaft mit 14.000 Besuchen und 18.000 Übernachtungen. Für den Transport der offiziellen Gäste werden gesponserte Wagen genutzt: Ein US-koreanischer Autobauer stellt den Griechen dafür fünfzig Autos zur Verfügung.
Auch das Design des offiziellen Logos für die griechische EU-Ratspräsidentschaft selbst sei mit 12.000 Euro ungewöhnlich günstig gewesen, hob Athen hervor. Als Motiv wählte die Agentur Beetroot ein stilisiertes Segelboot vor dunkelblauem Hintergrund, dessen Formen zugleich für die Buchstaben E und U stehen.
Das Mini-Budget für das Präsidium passt optimal zur Botschaft, die Regierungschef Samaras medienwirksam den europäischen Partnern vermitteln will. Athens Strategie lautet: Griechenland schafft bereits heuer den sogenannten primären Haushaltsüberschuss (vor Zinszahlungen und Tilgung). Im Gegenzug erwartet Athen Erleichterungen bei der Rückzahlung der Kredite im Volumen von mittlerweile 240 Milliarden Euro, die Griechenlands Gläubiger-Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds seit Anfang 2010 dem pleitebedrohten Athen, dem Epizentrum der Eurokrise, gewährt haben.
Aus Athener Sicht wäre ein generöser Schuldenschnitt das beste Szenario - fürwahr aber kein leichtes Unterfangen. Denn nicht zuletzt Deutschland, Griechenlands größter Gläubiger, ist strikt dagegen. Daran dürfte auch der jüngste Umstand nichts ändern, wonach Athen ein ursprünglich gebilligtes Budget von rund 150.000 Euro für Halstücher und Schals, die traditionell im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft an ausländische Gäste verschenkt werden, kurzerhand ersatzlos storniert hat.