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Ein selbstsicherer Powell erklärt die neue Außenpolitik

Von Thomas Müller

Politik

Washington - Am Ende wirkte George W. Bush neben dem auch körperlich dominierenden Colin Powell fast etwas verloren. Nachdem der künftige US-Präsident seinen populären Außenminister-Kandidaten offiziell vorgestellt hatte, forderte er die Journalisten auf, an ihn und Powell Fragen zu richten. Doch so gut wie niemand richtete eine Frage an den designierten Präsidenten. Nur vom künftigen Außenminister wollten alle wissen, welche Prioritäten er nun setzen werde.


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Und Powell zeigte, dass er künftig die Akzente setzen wird. Während Bush in der kurzen Einführung seine Rede ablas, ratterte der charismatische Ex-Generalstabschef in offenbar vollkommen freier Rede die Eckpunkte seiner künftigen Außenpolitik herunter.

Der 63-Jährige machte dabei früh klar, dass er die Sorgen der Europäer über ein möglicherweise verringertes Interesse der USA an der Außenpolitik unter Präsident Bush oder eine neue Arbeitsteilung bei internationalen Einsätzen Ernst nimmt. Amerika werde sich nicht hinter seine Mauern zurückziehen, sondern in der Welt engagiert bleiben, versprach er, und fügte hinzu: "Wir werden mit unseren Alliierten zusammenarbeiten und diese Allianzen zum Zentrum unserer Außenpolitik machen."

Allerdings betonte Powell auch, dass die amerikanischen Truppen durch internationale Einsätze ausgedünnt seien. Deshalb würden die USA direkt nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten ihre Truppeneinsätze in Bosnien-Herzegowina, Kosovo und anderen Regionen auf den Prüfstand stellen, um sicher zu stellen, dass alles in Ordnung sei.

Kein Isolationismus

Er stellte zugleich klar, dass die USA hart gegen potenzielle Feinde vorgehen werden. Auch hier konterte Powell wieder Befürchtungen, die USA könnten unter Bush in eine isolationistischer Politik zurückfallen, und versprach enge Zusammenarbeit mit den Alliierten. Allerdings deutete Powell selbstsicher auch zwei Bereiche an, die die USA mit den westlichen Verbündeten auf Kollisionskurs bringen könnten. So machte sich der Ex-Generalsstabchef, der über die Operation Wüstensturm im Golfkrieg gewacht hatte, klar, dass er die Sanktionen gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein neu beleben wolle. Auch bei dem von den meisten Europäern sowie Russland und China abgelehnten Raketenabwehrprojekt NMD zeigte sich Powell unnachgiebig. Die USA würden an ihrem Raketenschild festhalten.

Kontinuität gelobte er im Nahen Osten. Die US-Politik "wird dabei auf dem Grundsatz beruhen, dass Israel in Freiheit, Sicherheit und Frieden leben kann". Zugleich müssten aber die Ziele der Palästinenser berücksichtigt werden. Auch für die Chinesen hatte Powell einige beruhigende Worte. Die Führung in Peking hatte aufgehorcht, als Bush die Volksrepublik China als Rivalen statt als strategischen Partner bezeichnet hatte. Powell erklärte dazu, China und auch Russland seien keine potenziellen Feinde, sondern Nationen, die "ihren Weg suchen".