Die regierenden Sozialisten gewinnen Regionalwahlen in Venezuela. Die Opposition zweifelt an Rechtmäßigkeit.
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Bogota. Venezuelas Sozialisten haben ein kleines Wunder geschafft: Trotz wochenlanger Massenproteste, enormen Fluchtbewegungen und einer krachenden Niederlage bei der Parlamentswahl vor knapp zwei Jahren, gewannen sie bei einer Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben von 61,1 Prozent mindestens 17 der insgesamt 23 Gouverneursposten. Nur fünf gingen an das in den Umfragen klar dominierende Oppositionsbündnis "Tisch der Einheit". Venezuelas Staatspräsident Nicolas Maduro genoss die von ihm vorher gesagten Ergebnisse sichtlich: "Wir haben 75 Prozent der Gouverneursposten", jubelte das umstrittene Staatsoberhaupt. Umfragen hatten zuvor einen Sieg der Opposition prognostiziert.
Entsprechend fielen die Reaktionen aus: Strahlende Gesichter und Triumph-Gesten im Maduro-Lager, versteinerte Mienen bei der Opposition. Die will das Ergebnis nicht wahrhaben, eigene Zählungen wie im Bundesstaat Carabobo ergaben ein komplett anderes Resultat. Wie schon bei den Präsidentschaftswahlen 2013, die Maduro nach offiziellen Angaben knapp gewann, erhebt die Opposition massive Betrugsvorwürfe gegen die Sozialisten.
Opposition zerstritten
In einer ersten Reaktion sprachen Vertreter der Opposition von Wahlbetrug. Gerardo Blyde, Chef der Wahlkampagne des MUD, sagte der regierungskritischen Tageszeitung "El Nacional", die Opposition werde die Ergebnisse nicht anerkennen. "Wir haben die regionalen Behörden aufgefordert, dass sie den gesamten Wahlprozess verifizieren und alles öffentlich prüfen, auch jene Staaten, in denen die Kandidaten des MUD gewonnen haben", sagte Blyde. Costa Ricas Ex-Präsidentin Laura Chincilla sprach von "erwarteten Ergebnissen, die die Diktatur stärken". Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Oppositionsbündnis präsentierte sich zerstritten. Maria Corina Machado, einer der radikalsten Gegnerinnen der Regierung Maduro, rief sogar zum Wahlboykott auf. Das stärkte nicht gerade die bröckelnde Front der Maduro-Kritiker.
Nun will die Opposition wieder die Straße mobilisieren. Ob das gelingt, ist zweifelhaft. Diejenigen Venezolaner, die mit friedlichem, demokratischen Protest ihren Widerstand ausdrücken wollen, haben längst erkannt, dass ihre Stimme keinerlei Bedeutung hat. Das Parlament, in dem die Opposition 2015 eine klare Mehrheit einfuhr, ist längst entmachtet und durch eine von den Sozialisten komplett dominierte verfassungsgebende Versammlung ersetzt.
Dort werden auch die Weichen für die Präsidentschaftswahlen 2018/2019 gestellt. Schwer vorstellbar, dass Maduro, der inzwischen alle Instanzen - die staatliche Wahlbehörde CNE inklusive - kontrolliert, allen Umfragen zum Trotz verlieren wird.
Venezuela wurde bereits über Wochen von schweren Massenprotesten wegen der katastrophalen Versorgungslage und der hohen Kriminalität erschüttert. Dabei starben nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen über 100 Menschen. Mehr als 60.000 geflohene Venezolaner haben in den letzten Wochen eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung im Nachbarland Kolumbien erhalten. Rund 400 Oppositionelle befinden sich in den Haftanstalten des Landes. Sie werfen der Regierung die Installierung einer kommunistischen Diktatur nach kubanischem Vorbild vor. Gebracht hat das allerdings nur eine Entmachtung des frei gewählten Parlaments.
Jene Venezolaner, die der Regierung und ihren Tricks wie der Entmachtung des Parlaments schon lange nicht mehr glauben, haben ihre Entscheidung ohnehin längst getroffen. Der große Teil hat bereits die Koffer mit den letzten Habseligkeiten gepackt oder wird es noch tun. Kolumbien und Brasilien leiden unter einer enormen Flüchtlingswelle aus Venezuela, die die Grenzregion stabilisiert. Die Menschen stimmen nicht mehr an der Urne, sondern mit den Füßen ab. Wer diese Fluchtursachen bekämpfen will, muss für freie und von unabhängigen internationalen Wahlbeobachtern kontrollierte Wahlen sorgen.
Radikalisierung als Folge
Ein anderer Teil wird sich radikalisieren und zu den Waffen greifen, um gegen eine Regierung zu kämpfen, die frei gewählte Parlamente entmachtet und Wahlen nach ihrem Gutdünken ausrichtet. Die schwere innenpolitische Krise wird weiter schwelen und noch unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen. Das liegt auch daran, dass die Staatengemeinschaft versagt hat.