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Für die alten Männer in ihren grünen Uniformen mit den zahlreichen Orden sind die Erinnerungen an die Schlacht zwischen den Schützengräben und dem Stacheldraht noch sehr lebendig. Die Veteranen von Dien Bien Phu sind gekommen, um den 50. Jahrestag ihres Sieges zu feiern, des Sieges vietnamesischer Bauern über eine moderne europäische Armee, der auch das Ende des französischen Kolonialreiches in Indochina besiegelte. Die Schlacht von Dien Bien Phu, die am 7. Mai 1954 mit der Kapitulation der französischen Truppen endete, gilt als strategische Meisterleistung, die immer wieder von | Militärhistorikern auf der ganzen Welt studiert wird.
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"Das war ein Sieg, der die Welt erschütterte", sagt Carlyle Taylor, Vietnam-Experte an der australischen Militärhochschule. "Es war ein schwere Niederlage für eine Kolonialmacht, zugefügt von einem Dritte-Welt-Land." Und der Erfolg wog umso schwerer, als er sich während des Kalten Krieges ereignete.
Frankreich hatte sein Kolonialreich Indochina im Zweiten Weltkrieg an Japan verloren. Unter dem Druck der Japaner hatte Kaiser Bao Dai im März 1945 die Protektoratsverträge mit Frankreich aus dem 19. Jahrhundert gekündigt. Nach der japanischen Kapitulation und der Abdankung des Kaisers in Hue rief Ho Chi Minh, der 1941 die Vietminh-Befreiungsfront gegründet hatte, am 2. September 1945 die Demokratische Republik Vietnam aus. Im Mai 1946 wurde Ho Chi Minh in Paris mit allen einem Staatschef zustehenden Ehren empfangen. Er billigte Frankreich eine Militärpräsenz von 15.000 Mann zu, verlangte aber die Anerkennung der Souveränität seiner Republik. Doch die Franzosen dachten nicht daran, ihren 750.000 qkm großen, rohstoffreichen Kolonialbesitz aufzugeben. Paris griff nach dem Ausbruch der Kämpfe Ende 1946 auf Bao Dai zurück, schloss mit ihm 1949 einen Vertrag, der dem "Staat Vietnam" eine fiktive Teilsouveränität innerhalb der "Französischen Union" einräumte, und betrachtete alle mit Ho Chi Minh geschlossenen Abmachungen als hinfällig.
Anfang der fünfziger Jahre war der französische Indochinakrieg schon Teil des Kalten Krieges, die Vietnamesen wurden von der UdSSR und dem kommunistischen China unterstützt, Frankreich von den USA, die bis zu 80 Prozent des Kriegs finanzierten. Französische Truppen besetzten am 20. November 1953 schließlich den Ort Dien Bien Phu, um den Freiheitskämpfern den Nachschub abzuschneiden. Der französische Plan scheiterte aber. Dies lag nicht zuletzt an ihrem Gegner, dem legendären, heute 92-jährigen General Vo Nguyen Giap. Er schloss die Franzosen mit rund 72.000 Kämpfern am 13. März 1954 ein, und es gelang ihm, was die Franzosen für unmöglich gehalten hatten: In einer logistischen Glanzleistung zerlegten die Vietminh-Kämpfer ihre schwere Artillerie in Einzelteile, transportierten sie dann über die Berge, um sie vor Dien Bien Phu schließlich wieder in Stellung zu bringen. Nach einer 56-tägigen Belagerung kapitulierten die Franzosen.
Hunderte Vietnamesen kommen in diesen Tagen in das Städtchen, um den Sieg zu feiern. "Ich war damals in der Hölle", erinnert sich der 77-jährige Vu Van Nay. Er stützt sich dabei auf seine Krücke, sein linker Fuß fehlt. "Heute fühle ich mich wie im Himmel." Und der 74-jährige Nguyen Van Ky fügt stolz hinzu: "Sie dachten, sie hätten ihre Panzer, ihre Flugzeuge, ihre Artillerie - und wir hätten nichts. Sie haben uns unterschätzt." Der Preis für den Sieg aber war hoch. Auf französischer Seite wurden rund 2.000 Soldaten getötet, unzählige starben auf dem Marsch in die Gefangenenlager. Die vietnamesischen Verluste lagen mindestens beim Dreifachen, zehntausende wurden verwundet. Heute blickt man von dem letzten Hügel, der in den Kämpfen erobert wurde, auf drei Soldatenfriedhöfe.
Auch Giap ließ es sich nicht nehmen und reiste nach Dien Bien Phu. "Wir haben Jahre darauf gewartet, ihn zu sehen", sagt der 75-jährige Nguyen Van Chua. Auch in Vietnam schwindet allmählich die Erinnerung an die Kriege zwischen 1946 und 1975. Das Land hat sich im letzten Jahrzehnt stark gewandelt und der Welt geöffnet. Die Veteranen sind stolz auf das, was sie geleistet haben. "Als ich im Graben kämpfte, stellte ich mir eine Welt ohne Krieg vor", sagt Nay. "Wir haben uns für unsere Kinder und die nächste Generation geopfert. Ihr Leben ist viel besser. Sie brauchen nur noch zu lernen und hart zu arbeiten. Sie brauchen keine Angst vor Krieg zu haben."
SERVICE: http://www.dienbienphu.org/english, http://www.vietnam.ttu.edu/index.htm