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Ein Sikh als kanadischer Oberbefehlshaber

Von Alexander U. Mathé

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Harjit Singh Sajjan leitet den Abzug kanadischer Kampfjets aus Syrien und dem Irak.


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Weder von seinem Namen noch von seiner Kleidung her würde man Harjit Singh Sajjan einem westlichen Kabinett zuordnen. Doch von der breiten Weltöffentlichkeit unbemerkt ist der gebürtige Inder im November zu Kanadas Verteidigungsminister ernannt worden. Der 45-Jährige ist ein Sikh, also ein Anhänger jener monotheistischen Religion, die eine Brücke zwischen Islam und Hinduismus schlägt, allerdings mehr mit Letzterem gemein hat. Im Alter von fünf Jahren kam Sajja mit seinen Eltern aus der indischen Provinz Punjab nach Vancouver in Kanada. Die Vorstellung, für seine Wahlheimat zu kämpfen, gefiel Sajja schon in seiner Jugend.

Dieser Idee haftete etwas Traditionelles an, denn bis heute ist die Queen das Staatsoberhaupt Kanadas, und in der britischen Armee hatten die Sikhs einen Ruf als hervorragende und treue Kämpfer. Gleich nach dem Abschluss seiner Schulausbildung 1989 bewarb sich Sajja bei einer Militäreinheit - und wurde abgelehnt. Das lag an der Vorschrift der Sikh, sich die Haare wachsen zu lassen und einen Turban zu tragen.

Dadurch war es ihm unmöglich, die von der kanadischen Armee bereitgestellten Schutzmasken zu tragen. Doch Sajja, ein Mann der seine Ziele hartnäckig verfolgt, ließ sich davon nicht entmutigen. Er entwickelte einfach eine Schutzmaske, die mit seinen Haaren und seinem Turban vereinbar war, und ließ sie patentieren. Sein erster Übersee-Einsatz führte ihn 1997 mit der Friedensmission der Nato nach Bosnien-Herzegowina. Zwei Jahre später wechselte er zur Polizei von Vancouver. Dort begann er als einfacher Streifenpolizist, avancierte aber schon bald zum Ermittler bei der Abteilung für Bandenkriminalität.

Als sich Kanada am Einsatz in Afghanistan beteiligte, verspürte Sajja erneut den Ruf des Militärs und ging als Verwaltungsoffizier an den Hindukusch. Da die kanadische Armee aber die Taliban unterm Strich als kriminelle Bande einstufte, kam ihnen Sajja mit seiner Erfahrung auf dem Gebiet wie gerufen. Tatsächlich machte er sich einen Namen als Verbindungsoffizier in Kandahar. Dabei half ihm ein Vertrauensvorsprung der Afghanen, da sich diese sicher waren, dass er sie als Sikh besser verstehen würde als andere westliche Soldaten. Mit seinem Wirken erlangte Sajja auch den Respekt der USA, deren Armee ihn 2010 als Spezialberater in Afghanistan anheuerte, ehe er als erster Sikh in Kanada das Kommando über ein Regiment bekam.

Mit Politik hatte der zweifache Vater eigentlich nichts am Hut, doch Justin Trudeau, der im November zum Premierminister gewählt werden sollte, überredete ihn im Vancouverer Viertel, in dem er aufgewachsen war, zur Kandidatur. Sajjan gewann die Wahl und wurde nach Trudeaus Ernennung zum Premier selbst Verteidigungsminister. Als solcher leitet er nun den Abzug kanadischer Kampfjets aus Syrien und dem Irak.