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Ein Sommer ohne Verwandtenbesuch

Politik

Für die Türkei und den Westbalkan gibt es bereits Reisewarnungen, Rumänien und Bulgarien kommen hinzu. Gerade aus diesen Ländern gibt es eine große Diaspora in Österreich.


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Rumänien hat am Mittwoch einen neuen Rekord an Neuinfektionen vermeldet. Innerhalb von 24 Stunden stieg die Zahl positiver Corona-Fälle um 555 Personen an. Das waren ein paar Dutzend mehr als Mitte April, als das Land die erste Welle erlebte. Ähnliches, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau, war aus Bulgarien zu vernehmen mit einem Anstieg um 188 Neuinfektionen an einem Tag.

Die Bundesregierung in Österreich hat darauf mit neuen Reisewarnungen reagiert. Kanzler Sebastian Kurz richtete einen "dringenden Appell", nicht in diese beiden Länder sowie in die Republik Moldau zu reisen. Für Rückkehrer aus diesen Staaten gibt es eine 14-tägige Pflicht zur Quarantäne. Wer diese Auflage verletze, riskiere eine Strafe bis zu 1450 Euro. Zuletzt hat es nach Angaben von Behörden positive Fälle von Ein- und Rückreisenden aus Staaten des Balkan gegeben.

Mittlerweile gilt bereits für 14 Länder in Europa die höchste Warnstufe 6, darunter für sämtliche Länder am Westbalkan, Großbritannien, die Ukraine, Schweden und Portugal. Reisewarnungen gibt es auch für die Türkei, Russland, die USA, Brasilien, Mexiko, Indien und Ägypten.

Die Folgen sind weitreichend. Rumänien oder Serbien mögen zwar nicht zu den Hauptreiseländern in den Ferienmonaten zählen, dennoch sind von diesen Reisewarnungen mit ihren Auswirkungen viele Menschen in Österreich betroffen, potenziell wohl mehr als eine Million. Es handelt sich um Migranten aus diesen Ländern und ihre Kinder, die im Sommer immer wieder das Herkunftsland und Verwandte besuchen.

Laut Statistik Austria leben in Österreich 530.000 Menschen mit Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien, das heißt, dass beide Elternteile dort geboren wurden. Bei Personen aus der Türkei sind es 283.000. Rumänien wird von der Datenbehörde nicht extra ausgewiesen, jedoch stellt dieses EU-Land mittlerweile die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe nach Nationalität hinter Deutschland. Am 1. Jänner dieses Jahres waren 123.459 rumänische Staatsbürger in Österreich gemeldet, das sind mehr als doppelt so viele wie vor sechs Jahren.

Wie groß der reale Austausch im Sommer zwischen Österreich und diesen Ländern ist, weiß das Außenministerium nicht. Die Statistik Austria führt dazu jedes Jahr eine Stichprobenerhebung durch. Im dritten Quartal 2018 gab es aus Österreich rund 150.000 Reisen nach Bosnien, Serbien und Rumänien sowie rund 100.000 in die Türkei, wobei die Türkische Riviera auch ein beliebtes Reiseziel für Pauschaltouristen darstellt. Urlaub am Meer kann man auch anderswo machen, den Verwandtenbesuch im Herkunftsland nicht.

Versuche, die Botschaften von Serbien und Rumänien zu erreichen, waren am Mittwoch nicht erfolgreich. Die Leitungen waren zumindest von Mittag bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe pausenlos besetzt.

Unklar war am Mittwoch auch, was die Beschränkungen für die 24-Stunden-Betreuung bedeuten. Aus Rumänien stammen rund 30.000 Betreuerinnen. Bis Nachmittag hatte die Caritas keine Informationen erhalten, das Gesundheitsministerium war gerade erst dabei, die neue Einreiseverordnung zu erarbeiten. Bei der Caritas hoffte man, dass zu jener Regelung zurückgekehrt wird, wonach ein aktueller negativer Test auf Sars-CoV-2 die Quarantänepflicht aufhebt.

Unklare Kriterien für Reisewarnungen

Nach welchen Kriterien die Reisewarnungen erteilt werden, bleibt vage und in der Konsequenz schwer nachvollziehbar. So gibt es für Israel, das am Mittwoch auch einen Rekord von 1320 Fällen binnen 24 Stunden gemeldet hat (bei 8,8 Millionen Einwohnern) keine Warnung, sondern nur die Einstufung eines erhöhten Sicherheitsrisikos. Auch in Kroatien sind die Zahlen steigend, doch auch hier wurde keine Reisewarnung ausgesprochen. Vorerst zumindest. Das Außenministerium beobachte die Lage genau und laufend. Zu den Kriterien, hieß es, dass epidemiologische Entwicklungen, die medizinische Versorgungslage, Vorsorgemaßnahmen wie Testungen und Quarantänebestimmungen zur Beurteilung herangezogen werden. Es gebe "enge Abstimmungen mit den Expertinnen und Experten im Gesundheitsministerium, dem Innenministerium und dem Bundeskanzleramt", heißt es aus dem Ministerium.

Dass sich die Republik nicht nur auf offiziell gemeldete Zahlen verlassen kann, dürfte das Beispiel Serbien zeigen. Das Recherchenetzwerk Born (Balkan Investigative Reporting Network) berichtete mit Verweis auf ein geheimes Papier, dass bis Juni 632 Menschen mit oder an Covid-19 gestorben sind. Der nationale Krisenstab hatte für diesen Zeitraum jedoch nur 244 Covid-Tote vermeldet.(sir)