Die Antwort auf die "leere Vorratskammer" des Verteidigungsministers ist ein neuer Speiseplan.
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Verteidigungsminister Thomas Starlinger hat jüngst erklärt, beim Bundesheer sei "die Vorratskammer leer". Eine gute Gelegenheit, über das Engerschnallen des Gürtels weit hinauszublicken: Österreich muss raus aus dem Sicherheitsnebel. Das Etikett "Sicherheit" pickt auf Politikbereichen, die Weitsicht, aber keinen ständigen Bedrohungsabwehrreflex brauchen. Wenig guten Dienst leistet der Demokratie, wer immer wieder Militär und Polizei gleichsetzen will. Das Heer bewachte Botschaften, suchte Kriminelle im Internet, schob mit Heeresmaschinen Flüchtlinge ab, machte Jagd auf gewöhnliche Kriminelle, übernahm auch Häftlingstransporte. Augenmaß bei Sicherheit heißt auch: Der gefladerte Regenschirm im Wirtshaus ist keine Mittelstreckenrakete. Nicht alles ist zum Fürchten und vieles auch ohne Muskeln und ohne Militär lösbar.
Was können österreichische Soldaten tun? Ein Vorschlag, um die Armee dafür zu "rüsten", was die Welt am nötigsten braucht: Österreich stellt der UNO permanent 2000 Soldaten mit einem eindeutigen Mandat für Humanitäres und Abrüstung zur Verfügung. Abrüstung heißt Minenräumung, militärisches Expertenwissen zur Einhaltung des Chemiewaffenverbots oder auch - für Altkanzler Sebastian Kurz stets wichtig und richtig - die Kontrolle des bald in Kraft tretenden Atomwaffenverbotsvertrages. Also eine konstruktive Rolle Österreichs, um Krisen künftig zu verhindern, noch bevor der erste Schuss fällt, und für Vertrauen zu sorgen.
Zur Katastrophenhilfe braucht niemand Bewaffnete. In Deutschland macht das ein Technisches Hilfswerk. Und um Eskalationspotenzial strukturell zu verhindern, soll der Finger am Abzug vom Finger an der Tastatur so weit wie möglich entfernt sein. Für Online-Kriminalität ist primär die Polizei zuständig. Der Rest der Armee verliert an Bedeutung. Nach Maßgabe von Alfred Nobel soll man nämlich genau dafür - "die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere" - einen Friedensnobelpreis erhalten.
"Konventionelle Angriffe gegen Österreich sind auf absehbare Zeit unwahrscheinlich geworden", so die Sicherheitsstrategie. Schon zu befürchten ist ein weiterer globaler Rüstungswettlauf, und hier kann Österreich mit ziviler Expertise einen Beitrag zum Spannungsabbau leisten. Auch das EU-Parlament hat festgestellt, dass die Fortschritte bei den zivilen Fähigkeiten und der Konfliktverhütung viel zu langsam gehen. Hier liegt - in Kooperation mit UNO und OSZE - die Herausforderung. Wien ist ein Standort dieser beiden internationalen Organisationen, und eine Stärkung liegt auch im Interesse Österreichs.
Verteidigungspolitik ist nicht nur eine Aufgabe des Ministers, der Diplomatie oder gar der Rüstungskonzerne. Ähnlich wie in Deutschland sollte das Konzept des zivilen Friedensdienstes in Österreich etabliert werden. Exzellent ausgebildete zivile Fachkräfte können Beiträge zur Gewaltprävention und Friedensförderung leisten. In Deutschland arbeiten mehr als 300 Fachkräfte erfolgreich in 42 Ländern. Kürzlich hat die Regierung die Mittel dafür sogar gehörig aufgestockt. Warum sollte das neutrale Österreich nicht auch einen Friedensdienst einrichten? Vorbeugen ist immer besser als heilen.
Thomas Roithner ist Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft.