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Steinbrück will Finanzsystem radikal reformieren - Angriff auf Deutsche Bank.
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Berlin. Die Banken bändigen - das ist die Forderung, mit der die deutschen Sozialdemokraten in den Wahlkampf 2013 ziehen werden. Gerechtigkeit, Kapitalismuskritik, Umverteilung - alles ist darin zu finden. Peer Steinbrück will damit zugleich sein Profil als möglicher Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel schärfen. Am Mittwoch präsentierte der ehemalige deutsche Finanzminister der Öffentlichkeit, was die Bundestagsfraktion einen Tag zuvor hören durfte: die SPD-Ideen zur Zähmung der Finanzmärkte.
Auf 30 Seiten werden den Banken die Leviten gelesen. Steinbrücks Papier will einen neuen Anlauf zur Bankenregulierung, um das "System der kurzfristigen Renditemaximierung und ausgeprägten Risikoignoranz" zu zerschlagen. Die Finanzbranche habe, abgesehen vom Schuldenschnitt in Griechenland, zu wenig zu den Aufräumarbeiten beigetragen. Das will Steinbrück ändern.
Einige Forderungen stehen auch auf der Agenda der Regierung - etwa die Finanztransaktionssteuer. Anderes hat die SPD adaptiert: Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) will sie für Euroländer reservieren; Banken sollen daraus nicht finanziert werden. Das soll dafür ein Restrukturierungsfonds leisten, den die Banken selbst dotieren müssen. Immerhin lukriere allein die Deutsche Bank jedes Jahr "einen Zinsvorteil von ein bis zwei Milliarden Euro" aus einer implizierten Staatsgarantie - weil sie als systemrelevante Bank zu groß ist, um pleitezugehen. Solange der Bankenfonds nicht das Zielvolumen von 200 Milliarden Euro erreicht, soll er Anleihen ausgeben können, die von den beteiligten Banken erworben werden.
Der größte Giftzahn ist die Forderung, die Banken aufzusplitten. In einem ersten Schritt will die SPD das Spekulieren um des Spekulierens willen, die kurzfristigen Gewinne auf eigene Rechnung, beschränken: "Wer Eigenhandel betreibt, soll weder Einlagen entgegennehmen dürfen, noch Zugang zu Zentralbankgeld haben."
Getrennt unter Holdingdach
Das reicht Steinbrück aber nicht. In einem zweiten Schritt möchte er das klassische Bankengeschäft mit Krediten und Spareinlagen komplett vom Handel und Investmentbanking getrennt wissen. Nicht zerschlagen, sondern teilen, lautet dabei die Devise: Er schlägt ein Holdingmodell vor, wie es die OECD entwickelt hat. Die Geschäftsbereiche würden als getrennte Töchter, aber unter dem Dach einer Holdinggesellschaft geführt - mit separaten Vorständen und Bilanzen. Das erhöhe die Transparenz - und im Pleitenfall könnte ein sauberer Schnitt vollzogen werden.
Das Papier ist natürlich vor allem ein Frontalangriff auf die Deutsche Bank. Deutschlands größtes Geldinstitut wurde in den letzten eineinhalb Jahrzehnten - und vor allem ab 2002 unter der Ägide des Schweizers Josef Ackermann - zum Global Player gepusht. Man wollte in eine Reihe mit Goldman Sachs und Co. - und setzte sich abenteuerliche Ziele: Ackermanns Vorgabe von 25 Prozent vor Steuern für die Eigenkapitalrendite wurde fast schon sprichwörtlich und gilt heute als Sinnbild für die Banker-Hybris, die für die Krise mitverantwortlich gemacht wird. Mit Geldausleihe an Mittelständler lässt sich das nicht erreichen. Deshalb der Fokus auf den Handel und das schnelle Cash - mitten drin stand Anshu Jain, damals Chef des Investmentbankingarms in London und heute Co-Vorstand und Ackermann-Nachfolger.
Kritik an der "Zockerbude"
Kritiker werfen der Deutschen Bank vor, heute habe nur etwa ein Fünftel der Geschäfte einen Bezug zur realen Wirtschaft - der Rest seien rein spekulative Deals. Paul Achleitner, der aus Linz stammende neue Aufsichtsratschef, stellt das in Abrede: Den Eigenhandel, also das "Spekulieren um des Spekulierens willen", habe die Deutsche Bank eingestellt, behauptet er im Interview mit dem "Handelsblatt": "Der Eigenhandel ohne Kundenbezug wurde 2009 dichtgemacht. Das war lange vor meinem Start." Und zwar sei die Initiative ausgerechnet von Anshu Jain ausgegangen.
Eigentlich wollten Jain und sein Co-Vorstand Jürgen Fitschen die Geschäftsbereiche stärker verzahnen, statt sie aufdröseln zu müssen. Jetzt fürchten die Banker um den Status der Deutschen Bank als Institut von Weltrang.
Wenn die SPD-Zerschlagungspläne Realität würden, würde das "etwas zerstören, was auch für die deutsche Industrie wichtig ist", sagt Achleitner. Eine breiter aufgestellte Universalbank sei sogar mit weniger Risiken behaftet als Spezialinstitute wie Hypo Real Estate, Lehman Brothers oder die deutschen Landesbanken.
Wissen: Trennbanken
Als Urahn der Trennbanken gilt der "Glass-Steagall-Act" der USA von 1933, aus der Zeit der Großen Depression. Banken durften danach nur noch entweder Einlagen- und Kreditgeschäfte oder Wertpapiergeschäfte betreiben. Das Gesetz erodierte schleichend und wurde 1999 unter Präsident Bill Clinton komplett aufgehoben. Jetzt erlebt die Idee des Trennbankensystems eine Renaissance. In der EU arbeitet eine Expertengruppe rund um den finnischen Notenbankchef Erkki Liikanen Vorschläge für eine Reform des Bankensystems aus – Ergebnisse sollen im Oktober vorgelegt werden. In Großbritannien hat die Vickers-Kommission Auflagen erarbeitet, wie Banken einen Schutzwall rund um Spareinlagen bilden müssen. Und in den USA hat ein Gremium rund um Ex-Notenbankchef Paul Volcker die nach ihm benannte Regel aufgestellt, wonach Geschäftsbanken sich nicht an Hedgefonds beteiligen dürfen und die Spekulation zugunsten der eigenen Bilanz limitiert wird.
Vor einer wirklichen Aufsplittung systemrelevanter Großbanken haben bisher alle Regulatoren zurückgeschreckt. Als Begründung wird vielfach genannt, die Grenze, was spekulativ ist und was nicht, sei bei Banken oft schwer zu ziehen. "Normale" Unternehmens- und Verbraucherkredite können ebenso hochspekulativ sein, wie Fremdwährungskredite zeigen.
Umgekehrt ist auch nicht jedes Investmentbanken-Geschäft risikoreich: Ein großer Teil des Profits wird mit Provisionen aus der Betreuung von Börsegängen oder Fusionen eingestreift.