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Molterer: Ringen um Platz eins längst nicht entschieden. | "ÖVP hat Trennung von Politik und Wirtschaft freiwillig vollzogen." | "Strache kein Partner für Volkspartei." | "Wiener Zeitung": Dank der Bawag-Affäre scheint die Nationalratswahl entschieden, noch bevor der Wahlkampf begonnen hat. Oder geben Sie der SPÖ noch Chancen?
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Wilhelm Molterer: Wer behauptet, die Wahlen seien bereits entschieden, lebt nicht am, sondern hinter dem Mond. Das Ringen um Platz eins ist alles andere als gelaufen. Man muss nur an die Fußball-WM denken: Spielentscheidende Tore werden auch in der 92. Minute noch geschossen.
Sind Sie eigentlich sicher, dass so etwas nicht auch der ÖVP passieren kann?
Auch die ÖVP hat solche Situationen in ihrer Geschichte erlebt, wir aber haben unsere Lektionen gelernt. Geschlossenheit und Einigkeit gehören zu den unabdingbaren Voraussetzungen für politischen Erfolg, die Menschen haben kein Vertrauen zu Parteien, in denen gestritten wird.
Das ist der Aspekt des internen Streits. Wie verhält es sich mit der Möglichkeit eines Wirtschaftsskandals?
Die ÖVP hat einen klaren Schnitt zwischen Wirtschaft und Politik gemacht und beide Bereiche getrennt. Die SPÖ beging den Fehler, sich eine Parallelwelt aufzubauen: eine rote Zeitung, eine rote Bank, eine rote Konsumgenossenschaft. Das mag historisch durchaus seine Erklärung haben, nur hat die SPÖ nie von sich aus einen Schnitt gemacht, sondern immer erst, als der Hut bereits brannte. Das war bei der Arbeiterzeitung genauso wie beim Konsum, der Verstaatlichten oder bei der Bawag. Wir haben die Trennung von Politik und Wirtschaft aus Überzeugung gemacht, das ist der strukturelle Unterschied zur SPÖ.
Die Forderung von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer nach einer Verbannung von Spitzengewerkschaftern aus dem Parlament zielt ja auch auf die Verflechtung von Parteien und Verbänden in Österreich ab. Davon ist auch die ÖVP betroffen. Lohnt sich darüber nicht eine grundsätzliche Debatte?
Diese Diskussion ist durchaus sinnvoll, sie wird auch geführt - und das nicht erst, seit Gusenbauer Parteichef ist. Christoph Leitl und Rudolf Schwarzböck (Wirtschaftskammer- und Landwirtschaftskammer-Präsident; Anm.) haben sich für einen Mandats-Verzicht entschieden. Ich halte es für falsch, dass jemand ausgeschlossen werden soll, nur weil er Gewerkschafter ist. Die ÖVP wird sich an dieser Diskussion sicher nicht beteiligen.
Was erwarten Sie sich von der ÖGB-Reform?
Erstens, einen starken Gewerkschaftsbund. Zweitens, dass sich der ÖGB von schmückendem Beiwerk trennt. Ob der Besitz von Seen zur ureigensten Aufgabe von Gewerkschaften gehört, möchte ich doch bezweifeln. Und drittens, muss sich der ÖGB künftig nach der Decke strecken. Kein Unternehmen kann es sich leisten, mehr auszugeben als es einnimmt. Derzeit betrachte ich aber die Entwicklung im ÖGB mit großer Sorge: Ich sehe keinen unbändigen Reformwillen. Dass Gusenbauer jetzt den Gewerkschaftsmitgliedern sinngemäß mitteilt der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen, das muss er mit sich selbst ausmachen.
Die ÖVP wollte den angeblichen Rotfunk ORF reformieren, nun sieht sie sich mit dem Vorwurf eines Schwarzfunks konfrontiert.
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das geltende ORF-Gesetz eine der modernsten Grundlagen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk darstellt. An einer breiten Diskussion über die Herausforderungen der Zukunft für den ORF bin ich höchst interessiert, aber diese heuchlerische Debatte von Rot-Grün entlarvt sich von selbst. Dass jetzt die Herren Kalina, Krammer und Strobl (SPÖ-Kommunikationschef, Ex-Vranitzky Sprecher und Grün-Stiftungsrat) die Ritter mit der weißen Weste sein wollen, obwohl diese doch in Wahrheit mit schmutzigen Flecken übersät ist, da hört sich mein Gleichmut auf.
Demnach haben ÖVP und SPÖ in Sachen ORF die gleich schmutzige Weste?
Ich halte es hier mit Grünen-Chef Van der Bellen, der sagt, wenn ihm etwas nicht gefällt, dann ruft er an. Das halte ich auch für legitim. Der Unterschied ist: Die SPÖ ist dick und fett im ORF drinnen gesessen. Diese Zeiten sind jetzt vorbei.
Wird BZÖ-Chef Westenthaler doch noch vor den Wahlen zu Ministerehren kommen?
Wir haben ein Regierungsteam, das bis zum Ende der Legislaturperiode unverändert arbeiten wird. Außerdem hat er selbst mehrfach abgewunken.
Demnach bleibt auch Vizekanzler Gorbach an Bord?
Ich habe überhaupt keine Anzeichen dafür, dass das nicht der Fall sein könnte.
Welche Konstellation ist Ihnen eigentlich lieber: Ein stabiler Regierungspartner oder eine Regierung, in der Sie viel bewegen können?
Diese Alternativen hat eine Regierung nicht. Notwendige Reformen müssen so oder so angegangen werden. Für die ÖVP ist eine Zusammenarbeit mit allen Parteien möglich, die diese Änderungsbereitschaft haben. Nicht partnerfähig ist, wer den Europa-Gedanken in den Schmutz zieht.
Wen meinen Sie damit?
Wenn jemand, wie FPÖ-Chef Strache in einem Volksbegehren den EU-Austritt fordert, dann ist er kein Partner.