Chefetage des Ueberreuter-Verlags in weiblicher Hand. | Sortiment wird deutlich gestrafft. | Sachbuch soll auch am deutschen Markt punkten. | Wien. Auf die Frage, welches Buch bei ihr zuhause auf dem Nachtkästchen liegt, ziert sich Silvia de Sordi ein bisschen. Dann verrät sie es doch: "Der kleine Prinz". Seit ihr eine Freundin das Buch geschenkt hat, "verfolgt es mich", sagt die Geschäftsführerin des Ueberreuter-Verlags.
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Seit die ehemalige Personaltrainerin und Beraterin das Ruder bei Österreichs größtem privaten Publikumsverlag übernommen hat, hat sich ihr Bezug zu Büchern grundlegend geändert. Las de Sordi früher in erster Linie Fachbücher über Management und Psychologie, so liegen in ihrer Wohnung jetzt alle Novitäten aus dem Hause Ueberrreuter "kreuz und quer herum".
De Sordi, Jahrgang 1968, arbeitete als kaufmännische Assistentin, Directmarketing-Leiterin und Geschäftsführungsassistentin in verschiedenen Unternehmen, bis sie sich 1998 als Geschäftsführerin der Personalberatung Knechtel & de Sordi selbständig machte. "Die Buchaffinität war nicht in meiner Vergangenheit", gibt Silvia de Sordi zu. Der Wechsel zu Ueberreuter war ein Sprung ins kalte Wasser, wobei neue Herausforderungen von der 42-jährigen durchaus gewollt sind: "Das bin einfach ich."
De Sordi, seit 1. Jänner im Management des Ueberreuter-Verlags, verantwortet seit dem Weggang von Fritz Panzer seit Jahresmitte als alleinige kaufmännische Geschäftsführerin die Bereiche Marketing, Vertrieb, EDV, Personal und Finanzen. Einen verlegerischen Geschäftsführer gibt es nun nicht mehr, dafür wurden die jeweiligen Programmverantwortlichen aufgewertet. De Sordi führt ihr Team nach dem Musketier-Prinzip "Alle für einen, einer für alle". Es ist ihr ein Anliegen, die Verantwortungsbereiche ihrer rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erweitern.
Nur mehr 250 Titel
Nicht erweitert, sondern reduziert werden soll unter ihrer Ägide der Titelausstoß des 1946 gegründeten Traditionsverlags. Ueberreuter bringt im Jahr rund 300 Neuerscheinungen auf den Markt, ab dem Frühjahrsprogramm werden es nur mehr 250 neue Titel sein. Das Angebot von Ueberreuter gliedert sich in die Bereiche Sachbuch, Kinder- und Jugendbuch, Bilderbuch (Annette Betz und Lappan Bilderbuch), Humor (Lappan) und Fantasy (Otherw orld).
Die Auswahl ist nicht leicht, denn täglich landen an die 10 bis 20 Manuskripte auf den Schreibtischen der Programmleiter. Zwischen drei Monaten und einem halben Jahr dauert es dann, bis ein Buch auf den Markt kommt. Wenn dann jeder auf das stolz ist, zu dem er beigetragen hat, ist auch Silvia de Sordi glücklich, denn "für mich zählt der Mensch".
Um die Werke des Verlags besser unters Publikum zu bringen, werden Buchpräsentationen nun noch stärker als Medien event inszeniert. So lud Ueberreuter die Journalisten zur Vorstellung des Ratgebers "Weiblich, sinnlich, lustvoll" der Sexualmedizinerin Elia Bragagna in das Museum des Wiener Kondomfachgeschäfts Condomi, und Caritas-Präsident Franz Küberl präsentierte "Mein armes Österreich" im Wiener Obdachlosenbetreuungszentrum "Gruft" in den Räumen unterhalb der Mariahilfer Kirche.
Obwohl ihr die permanente grafische Weiterentwicklung der Buchcovers ein großes Anliegen ist, hat De Sordi auch keine Berührungsängste mit E-Books: "Das gehört zur Entwicklung dazu, das ist der Fortschritt, das ist die Revolution." Auch Social Networks nutzt der Verlag marketingmäßig intensiv. "Wenn unsere Leser sich auf Facebook mit den Autoren im Chatroom unterhalten, dann leben sie ganz anders mit und greifen dann zum Buch", sagt de Sordi.
Manko Sachbücher
Während Ueberreuter mit seinen Kinder-, Jugend- und Bilderbüchern sowie mit Other world und Lappan in Deutschland gut unterwegs ist, lässt der Marktanteil bei Sachbüchern im Nachbarland noch zu wünschen übrig. Doch der erste Schritt zur stärkeren Positionierung in Deutschland ist schon erfolgt: Die Neuerscheinung "Phänomen Facebook" sei eines der Ueberreuter-Sachbücher, das auch für deutsche Leser interessant sei, betont de Sordi. Dennoch: "Es wird eine Sisyphusarbeit, Schrittchen für Schrittchen."
Die Antwort auf die Frage, was ihre langfristigen Ziele seien, überlegt sich de Sordi gut. "Bei mir gibts nichts fix-fertig", sagt die Hobby-Motorradfahrerin schließlich nach einer langen Pause. Über die Zukunft des Buches macht sie sich jedenfalls keine Sorgen: "Es gibt Leser, und es wird noch mehr geben."