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Ein Stabilitätsmechanismus?

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare

Nenne ich meinen Hund Kakadu, kann er dann fliegen? Kaum. EU-Politiker haben einen fatalen Hang zu kreativen Wortschöpfungen, um anschließend zu glauben, Verpackung und Inhalt seien identisch.


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Anlässlich der Euro-Einführung wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) erfunden. Allerdings hat er weder Stabilität garantiert noch Wachstum befördert. Weder die irische noch die spanische Krise sind aus Verletzungen des SWP entstanden. Im Gegenteil, Irland und Spanien gehören zu den wenigen Mitgliedstaaten, die die 3-Prozent-Grenze für die Defizite und die 60-Prozent-Grenze für die Staatsschulden peinlich genau beachtet haben.

In beiden Ländern ist es vielmehr die exzessive private Verschuldung, namentlich die von Banken finanzierte Immobilienblase, die die Finanzkrise verursacht hat. Nur die griechische Malaise hätte mit einer Einhaltung des SWP wahrscheinlich vermieden werden können.

Die Regierungschefs der Europäischen Union haben bei ihrer Tagung am 16. und 17. Dezember beschlossen, ihren Parlamenten eine Ergänzung des Unionsvertrages vorzuschlagen. Diese besteht aus zwei dürren Sätzen: Mitglieder der Währungsunion können einen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) einführen; finanzielle Hilfe wird er nur unter strikten Bedingungen gewähren.

Das heißt für sich genommen natürlich noch gar nichts. Aus einer Erklärung der Euro-Gruppe von Ende November geht hervor, dass eine Perpetuierung des EFSF, des sogenannten Rettungsschirms von 440 Milliarden Euro, gemeint ist. Die Rede ist auch von einer verstärkten wirtschaftspolitischen Steuerung, ohne dass dabei Details genannt werden. Weiters heißt es, dass ab Juni 2013 die Euro-Staaten bei jeder Anleihenbegebung Umschuldungsklauseln in die Kreditverträge aufnehmen werden; bei Zahlungsunfähigkeit eines Staates soll das Vereinbarungen mit den privaten Gläubigern über deren "Haircut" erleichtern beziehungsweise eine Art Ausgleichsverfahren ermöglichen.

Damit wird in einem offiziellen Dokument erstmals zugegeben, dass ein "Staatsbankrott" (Sovereign Default) möglich ist und private Gläubiger im Gegensatz zu bisher zum Handkuss kommen können. Aber erst ab Mitte 2013. Löst das bis dahin Beruhigung oder zunehmende Nervosität auf den Finanzmärkten aus?

In der "International Herald Tribune" lautet ein Kommentar: "Crazy idea from EU is bound to fail." Der Vorschlag habe nichts mit Ökonomie, aber viel mit Hirnschaden gemeinsam. So weit muss man ja nicht gehen.

Aber zweieinhalb Jahre sind für Finanzmärkte eine sehr lange Zeit. Wie werden Banken, Pensionsfonds und die anderen Gläubiger reagieren? Wird die Flucht aus Staatspapieren der für gefährdet gehaltenen Länder anhalten, mit entsprechenden Zinseffekten? Der Name ESM allein bringt keine Stabilität, schon gar nicht mit einer jahrelangen Übergangsfrist.

Alexander Van der Bellen ist Nationalratsabgeordneter der

Grünen. Jeden Dienstag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.