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Ein Stadtchef, der gern nachfragt

Von Christian Rösner

Politik
"Den Wienern ist ein Bürgermeister, der nachfragt, lieber als einer, der von oben herab diktiert", sagt Michael Häupl.
© Andreas Urban

An den Bezirksstrukturen will der Bürgermeister nichts verändern - es soll alles so bleiben, wie es ist


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"Wiener Zeitung": Viele Wiener sind verwirrt: Bei der Volksbefragung gibt es die Möglichkeit, dafür zu stimmen, dass die Parkpickerlfrage zentral von der Stadt entschieden wird - wie soll das funktionieren, wenn die Bezirke ein generelles Vetorecht haben?

Michael Häupl: Variante A heißt, das Rathaus entscheidet. Variante B heißt, die Bezirke entscheiden mit. Mit Letzterem sind wir bisher sehr gut gefahren. Deshalb plädiere ich auch dafür, B anzukreuzen.

Wird die Variante A damit nicht ad absurdum geführt?

Ich wüsste nicht, warum. Wählt die Bevölkerung A muss man das zur Kenntnis nehmen. Das heißt, man stärkt zentralistische Tendenzen. Und es wäre ein Verlassen des bisherigen Weges. Ich werde jedenfalls alles versuchen, um die Vorsteher einzubinden. Aber über die Brücke werden wir gehen, wenn wir davorstehen.

Könnte man aus den Schwierigkeiten rund um die Parkpickerl-Ausweitung aber nicht zumindest die Notwendigkeit einer zeitgemäßeren Raumaufteilung Wiens ableiten?

Die Autonomie eines Bezirkes hat nichts mit der Größe zu tun. Die Bezirke werden alle gleich geregelt - und die Grundlage dafür ist das Dezentralisierungsgesetz. Die Bezirksaufteilung ist historisch gewachsen.

Anders gefragt: Wenn Sie Wien als freies Feld vor sich hätten, würden Sie genau nach derzeitigem Bild aufteilen?

Ziemlich genau so, wie sie jetzt verteilt sind. Abgesehen davon, dass wir nicht vor eine "carte blanche" stehen. Das ist wie mit dem "zero budget". Das gibt es nicht. Es entsteht immer alles in einem historischen Kontext, nur in der Quantenwelt ist das Kausalitätsprinzip aufgehoben, überall sonst gilt es. Ich bin mit unserer Struktur eigentlich ganz zufrieden. Da gibt es ganz andere Probleme.

In der Steiermark werden aber jetzt auch Gemeinden zusammengelegt, um die Verwaltungsstruktur zu vereinfachen.

Richtig, es werden Gemeinden zusammengelegt, aber in In Österreich haben wir per Verfassung die Einheitsgemeinde. Ob es sich um eine Dorfgemeinde mit 500 Einwohnern handelt oder eben um eine Stadt wie Wien, die Grundstruktur ist die dieselbe. Wien ist eben eine Gemeinde. Mit welcher anderen Gemeinde wollen Sie Wien zusammenlegen?

Sie haben gesagt, es gibt ganz andere Probleme - welche sind das?

Die Stadt wächst moderat. Das hat Konsequenzen im Hinblick auf den Wohnungsbau und daraus resultierend Folgen auf die Verkehrsinfrastruktur, die Sicherheitsinfrastruktur, die Bildungsinfrastruktur, usw. Das ist unser Hauptpunkt. Und das verschmilzt mit dem Problem: Wie finanzieren wir das in Zeiten der Knappheit öffentlicher Budgets. Da werden wir kreative Finanzierungssysteme erfinden müssen. Denn obwohl es derzeit am österreichischen Kapitalmarkt das Geld fast geschenkt gibt, dürfen wir trotzdem weniger bis gar keine Kredite aufnehmen.

Sie kritisieren die Konsolidierungsvorgaben der EU?

Nein, ich habe keine Kritik geübt. Ich habe festgestellt, dass es so ist, wie es ist. Und ich bekenne mich zur Stabilisierung öffentlicher Haushalte, gar keine Frage. Aber dann muss man eben andere Möglichkeiten entwickeln. Wir verschleudern ja das Geld nicht, wir schaffen, etwa mit allen Strukturmaßnahmen, Werte. Da wird uns schon etwas Gscheites einfallen.

Zurück zur Volksbefragung. Hand aufs Herz: Welchen Grund gäbe es, gegen erneuerbare Energieprojekte zu stimmen? Das ist doch so, als würde man fragen, ob man für den weiteren Ausbau der Öffis ist.

Das ist nicht ganz daselbe. Die Frage lautet ja nicht: Sind Sie für den Ausbau von regenerativen Energieproduktionen, sondern: Sind Sie für eine finanzielle Bürgerbeteiligung solcher Projekte. Damit wollen wir auch Bewusstsein schaffen, denn das ist eine ganz neue Form Finanzierung solcher Kraftwerke. Wir sagen den Leuten: Legt Euer Geld nicht unsicher an,, sondern steckt es in etwas Sinnvolles und Solides, wo Ihr Eurer Geld nicht verliert.

Es geht um Bewusstseinsbildung der Bevölkerung?

Ja, das ist sicherlich richtig. Es geht natürlich auch nach dem Motto: Klappern gehört zum Handwerk.

Und die Frage nach dem Schutz gegen die Privatisierungen der gar so wichtigen Daseinsvorsorge ist für Sie nicht manipulativ?

Mit diesem Vorwurf haben wir uns noch bei jeder Volksbefragung auseinandersetzen müssen. Ich lebe damit. Aber ich sehe das erstens als die zentrale Frage der Volksbefragung an und zweitens meine ich, dass es eine hohe Aktualität hat. Die Konzessionsrichtlinie aus dem Büro von EU-Kommissar Barnier, die jetzt ganz anders ausschaut als ursprünglich geplant, signalisiert, das es in den Büros der Kommission und den Generaldirektionen eine ganze Menge Leute gibt, die von dem neoliberalistischen Gedanken der Privatisierung jeglicher ökonomischer Form in einen Markt ausgeht. Und das ist etwas wo wir sagen: Ja, wir sind als Sozialdemokraten für einen Markt - aber es gibt bestimmte Bereiche, die von öffentlichem Interesse sind, Bereiche die der Versorgung und Betreuung der Menschen dienen und die kann man nicht den Marktkräften allein überlassen. Wasser ist einer dieser Bereiche, aber auch Wohnen, Bildung und Gesundheit.

Aber wir leben ja auch mit privaten Spitälern.

Ja, aber wenn jemandem ernsthaft etwas passiert, dann kommt er in einen Notarztwagen und wird in ein öffentliches Spital transportiert. Das zeigt, dass es Dienstleistungen im öffentlichen Interesse gibt, die auch in öffentlicher Verantwortung sein sollen. Und das ist der Kern der Geschichte.

Dann wären wir schon bei Olympia: Glauben Sie, dass das die Wiener rasend interessiert?

Ich will Bewusstsein wecken. Wenn man so etwas andenkt, muss man so etwas in so langen Zeiträumen denken. Die Vorlaufzeiten sind enorm. Es dauert ja fast 10 Jahre, bis entschieden wird, wer die Olympischen Spiele bekommt.

Sie haben unlängst angekündigt, 2015 noch einmal antreten zu wollen.

Wenn mich meine Partei will und es die Gesundheit erlaubt, mit Sicherheit. Und ich denke, den Wienern ist ein Bürgermeister der nachfragt lieber als einer der von oben herab diktiert.

Sie glauben also nicht, dass sie politisch geschwächt aus dieser Sache herausgehen könnten?

Fragen wird man ja um Himmels willen noch dürfen. Das ist doch besser als ein fertiges Atomkraftwerk hinzustellen und zu fragen, ob man es jetzt aufsperren soll oder nicht - und das hat Kreisky damals sogar noch gestärkt. Er hat mit Glanz und Gloria die nächsten Nationalratswahlen gewonnen.

Die Grünen haben vergangene Woche die Liberalisierung von Cannabis gefordert, was sagen Sie dazu?

Das habe ich nichteinmal mitbekommen. Aber selbst wenn ich es mitbekommen hätte, würde ich die Diskussion darüber verweigern, denn wir haben wirklich andere Probleme.