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"Ein staubiges Zimmer mit Straßenblick"

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
"Zimmer mit Aussicht": Wenn die Unterkunft zu wünschen übrig lässt, lassen ehemalige Hotelgäste oft im Internet ordentlich Dampf ab. Foto: Bilderbox

Viele informieren sich vor Buchung auf Bewertungsportalen im Internet. | Holidaycheck, Tripadvisor & Co kassieren pro Klick auf Partner-Website. | Wien. "Obwohl in Buffetform angeboten, wurden die warmen Speiseteile vom Koch bewacht und nur als Kleinstportion ausgegeben." "Über den Handtuchwechsel entschied das anatolische Zimmermädchen nach eigenem Ermessen." Solche oder so ähnliche Erfahrungsberichte von Gästen für nachkommende Urlauber sind in Hotelbewertungsportalen im Internet nachzulesen.


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Laut aktuellen Touristik-Studien informieren sich in Österreich bereits drei Viertel aller Internetnutzer über Online-Bewertungsseiten, bevor sie ein Hotel buchen. "Die Gästebücher im Internet spielen seit etwa drei Jahren eine enorme Rolle in der Reisebranche. Der moderne Urlauber bucht erst, nachdem er sein Hotel im Web durchgecheckt hat", bestätigt Martina Teufel von der Österreichischen Hoteliervereinigung. Einer der Hauptgründe: In den Reiseprospekten mit werblicher Katalogsprache nennen die Anbieter keine Negativaspekte. In den Foren gibt es - so zumindest die Annahme - die ungeschminkte Wahrheit.

Die meistgenützten Anbieter im deutschsprachigen Raum sind holidaycheck.de, tripadvisor.de und trivago.de. Daneben bieten auch Online-Reisebüros wie expedia.de, hotels.com, hrs.de, venere.com oder booking.com Möglichkeiten zur Hotelbewertung an. Internetnutzer können auf den Seiten Erfahrungsberichte von anderen Urlaubern lesen oder selbst Unterkünfte, Restaurants oder Pauschalreisen kommentieren sowie Fotos oder Videos hineinstellen.

Branche brauchtMundpropaganda

Fast 2500 Bewertungen werden täglich auf holidaycheck.com, dem Marktführer im deutschsprachigen Raum, abgegeben, 300.000 werden am Tag gelesen. Das häufigste Feedback betrifft die Servicequalität, das Personal und die Sauberkeit. "Das Angebot an Unterkünften wird immer unübersichtlicher, da suchen die Leute nach Orientierung", argumentiert Ulrich Cramer, Pressesprecher bei Holidaycheck.

Reiseexperten wie Falk Murko von der deutschen Stiftung Warentest sind sich einig: "Kaum jemand, der im Tourismusgeschäft tätig ist, kann sich der Mundpropaganda im Internet noch entziehen." Reisebüroangestellte loggen sich kurz einmal ein, um für ein Beratungsgespräch Informationen über ein Hotel zu holen. Engagierte Rezeptionisten erinnern den abreisenden Gast daran, nicht auf die Hotelbewertung im Internet zu vergessen. "Die Online-Gästebücher helfen den Hoteliers bei ihrer Schwachstellen-Analyse", erklärt Teufel. Wer sich zu unrecht kritisiert fühle, solle direkt auf den Bewertungsseiten seine Gegendarstellung platzieren.

So jugendlich und peppig die Auftritte der Anbieter im Netz erscheinen, hinter den Bewertungsseiten stecken längst nicht mehr die Jungunternehmer, die einst in der Garage ihren Studententraum verwirklicht haben. Viel mehr sind es börsenotierte Unternehmen mit Niederlassungen weltweit. Der Weltmarktführer bei Reisebewertungsportalen, die Tripadvisor AG mit Sitz im US-Bundesstaat Massachusetts, gehört seit 2005 dem Online-Reiseanbieter Expedia, einer ehemaligen Microsoft-Tochter. Das Bewertungsportal ist mit 985 Mitarbeitern in 27 Ländern aktiv und beherbergt unter seinem Dach 17 weitere Reisemarken - darunter auch eine Seite für Kreuzfahrtkritiken. Die Holidaycheck AG ist wiederum in der Schweiz ansässig. Seit 2006 steht das Unternehmen mehrheitlich im Eigentum der Tomorrow Focus AG, deren Hauptgesellschafter das deutsche Verlagshaus Hubert Burda Media ist. Das Hotelreservierungsportal booking.com mit Hauptsitz in Amsterdam gehört zur amerikanischen Internet-Reisebüro-Gruppe Priceline.com, die an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert.

Trotz Wirtschaftskrise läuft das Geschäft bei den führenden Bewertungsdomänen prächtig. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern der Holidaycheck-Mutter Tomorrow Focus verbesserte sich in den ersten neun Monaten 2010 dank des Segments E-Commerce um 40 Prozent auf 12,1 Millionen Euro. Auch Tripadvisor-Pressesprecherin Christine Burger erklärt: "Wir verzeichnen pro Jahr ein 30-prozentiges Wachstum."

"Werbung mit Hotel-Horror-Geschichten"

Das Geschäftsmodell der Plattformen ist einfach - vom Verkauf der Werbeflächen allein kann jedoch niemand mehr überleben. "Von der Tripadvisor-Seite gelangen Nutzer via Link zu den Buchungsplattformen von Hotels oder Reiseanbietern. Sobald man eine dieser Seiten anklickt, kassiert Tripadvisor Provisionen", erklärt Burger. Holidaycheck lukriert den Großteil seiner Einnahmen durch den direkten Verkauf von Pauschalreisen, Flügen und Hotels auf der eigenen Homepage. Pro Buchung erhält das Portal bis zu zehn Prozent Vermittlungsgebühr.

Seltener gebucht werden freilich all jene Betten, die von Reisenden schlechte Noten ausgestellt bekommen. Als zahlreiche New Yorker Hotels im vergangenen Jahr von einer Bettwanzenplage heimgesucht wurden, war Tripadvisor eine der zentralen Informationsquellen.

Immer wieder beschweren sich Vermieter daher: Die Portale würden mit Hotel-Horror-Geschichten werben. Holidaycheck-Sprecher Ulrich Cramer hält dem entgegen: "Unter den Bewertungen gibt es durchschnittlich 85 Prozent positive Rückmeldungen, die Meckerer machen nur 15 Prozent aus."

Wissen: Klagerisiko bei Hotelkritik

(cpe) Wer Hotel-Leistungen im Internet kritisiert, kann leicht in eine Prozess-Falle geraten. Denn was als harmlose Meinungsäußerung im Forum gedacht ist, endet oft wegen Ruf- oder Geschäftsschädigung vor Gericht. Hotelbewerter sollten sich daher an folgende Regeln halten: Nie darf eine Meinung so bösartig formuliert sein, dass sie die Menschen oder deren Unternehmen in unangemessener Weise beleidigt. Statt ein Urlaubshotel pauschal als "heruntergekommene Bruchbude" herabzusetzen, sollten unzufriedene Gäste in einem Forum lieber schreiben "Wir waren nicht begeistert" oder "Wir werden dort nicht wieder hingehen".

Zeugen, Fotos, Videos

Vorsicht gilt auch bei Tatsachenbehauptungen: Kritisiert ein Hotelgast etwa den "fleckigen Teppichboden", "eine Dusche ohne Warmwasser" oder "das zu kalte Essen", muss er dies beweisen können. Hilfreich in solchen Fällen sind Zeugenaussagen sowie Fotos oder Videoaufnahmen vom Urlaubsaufenthalt. Ist ein Bewertungseintrag unwahr oder persönlich verletzend, kann der Hotelbetreiber auf Unterlassung und Widerruf sowie auf Schadenersatz klagen.