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Ein Steuer-Scherbenhaufen

Von Alexander Dworzak

Politik

Rückenwind für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gegen Angela Merkel.


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Berlin/Bern. Deutschland gegen die Schweiz, das war in den vergangenen Jahren finanzpolitische Brutalität: von Bankangestellten, die Steuerhinterziehern halfen, bis zu Bankern, die CDs mit Daten der Steuerflüchtlinge feilboten. Mit dem im Oktober im Berliner Bundestag beschlossenen Abkommen beider Länder sollte Ruhe einkehren. Davon ist seit Freitag keine Rede mehr. Sozialdemokraten und Grüne torpedierten dank ihrer Mehrheit im Bundesrat, der Länderkammer, das Gesetz; es tritt nicht wie geplant Anfang 2013 in Kraft.

Zehn Milliarden Euro an Nachzahlungen aus der Schweiz versprach sich Wolfgang Schäuble von dem Abkommen sowie künftig 700 Millionen jährlich durch Kapitalertragssteuern. Eindringlich warnte Deutschlands Finanzminister, mit dem Scheitern würden enorme Ansprüche des deutschen Fiskus an Steuerhinterzieher in der Schweiz verjähren - ohne Erfolg. Auch beim zuletzt ausgeworfenen Köder von Schäuble, jene zehn Milliarden zur Gänze den Ländern zu überlassen, biss Rot-Grün nicht an.

Vermittlung zwecklos

Vor einem Scherbenhaufen stehen nun die Regierungen in Bern und Berlin. Die SPD machte bereits am Freitag klar, dass sie keine Chance auf eine Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag sehe: "Steuergerechtigkeit ist von so grundsätzlicher Bedeutung, dass es nicht vermittlungsausschusstauglich ist", sagte Baden-Württembergs sozialdemokratischer Finanzminister Nils Schmid.

Die Ablehnung hat inhaltliche und taktische Gründe. SPD und Grüne bezweifeln, dass tatsächlich zehn Milliarden in die Staatskassen gespült würden. Zudem sei die vereinbarte Nachbesteuerung von Schwarzgeld ungerecht, da bei vielen Betroffenen der Steuersatz mit 21 Prozent niedriger als bei ehrlicher Versteuerung gewesen wäre. Und die Steuerflüchtlinge blieben anonym. Dann schon lieber - wie in der Vergangenheit - Daten von Steuerflüchtlingen kaufen (siehe Porträt). Strategisch konnte die SPD gar nicht anders, als das Abkommen abzulehnen: 2013 finden Bundestagswahlen statt; Gerechtigkeit steht auf der Agenda von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ganz oben. Der forsche Hanseat kann mit einer harten Linie gegen Steuerflüchtlinge beim Publikum punkten und Kanzlerin Merkel vor sich hertreiben.

Österreich nicht betroffen

Für die Schweiz ist das geplatzte Abkommen eine herbe Enttäuschung. Es bleibt bei lediglich zwei Vereinbarungen - mit Großbritannien und Österreich. Der im April zwischen Wien und Bern geschlossene Vertrag sei nicht betroffen, heißt es aus dem Wiener Finanzministerium. Es bleibt bei einer Abschlagszahlung von einer Milliarde Euro 2013 und weiteren 50 Millionen jährlich für Finanzministerin Maria Fekter. Dafür wird der Druck auf Österreich größer, dem automatischen Informationsaustausch der Finanzbehörden in der EU zuzustimmen. Lediglich Wien und Luxemburg sträuben sich gegen ein gemeinsames Vorgehen.

Porträt

(da) Blass und nicht gerade erste Wahl: Gutes war nicht über Norbert Walter-Borjan zu hören, als er 2010 Finanzminister in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland Nordrhein-Westfalen wurde.

Doch mit der Debatte über Steuerflüchtlinge hatte der promovierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler sein Thema gefunden - und Finanzminister Wolfgang Schäuble einen ernstzunehmenden Widersacher. Ob "Ablasshandel für Steuerhinterzieher" oder "Schlag ins Gesicht der Ehrlichen": Der 60-jährige war nie um markige Worte verlegen. Und er setzte sie in Taten um: Um kolportierte neun Millionen Euro kaufte Nordrhein-Westfalen CDs, deren Daten Steuerbetrüger entlarvten. 300 bis 500 Millionen Euro an Steuereinnahmen brachten die CDs, zudem haben rund 30.000 Deutsche 1,5 Milliarden Euro nachgezahlt.

Und "Nowabo", wie der verheirate Vater von vier Kindern intern genannt wird, hat noch nicht genug. Fragt sich, welche Rolle SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Bundestagswahlkampf für ihn vorsieht.