EU-Parlament will Vergünstigungen für Konzerne offengelegt sehen - Juncker im Sonderausschuss.
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Brüssel. Es war nichts weniger als eine Revolution, die Pierre Moscovici versprach. Als sich der für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten zuständige EU-Kommissar an die EU-Abgeordneten richtete, betonte er seine Absicht, mehr Steuergerechtigkeit in der Union zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, wünsche er sich "eine Revolution der Transparenz, der Effizienz und der Vereinfachung", erklärte der Franzose.
Es waren Worte, die zuvor auch schon Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verwendet hat - und die die Mandatare gerne hörten. Doch so manchem von ihnen wären konkrete Details lieber. Denn der Auftritt Moscovicis und noch mehr jener Junckers war im Sonderausschuss lange erwartet worden. Das Gremium war nach den Enthüllungen eines Recherche-Netzwerkes zu Steuerabsprachen internationaler Konzerne mit den luxemburgischen Behörden eingerichtet worden. Juncker, der fast zwei Jahrzehnte lang Premier und Finanzminister Luxemburgs war, ist in der sogenannten Lux-Leaks-Affäre selbst unter Erklärungsdruck geraten.
Denn obwohl die Praktiken der Firmen bekannt waren, empörte das Ausmaß: Aufgezeigt wurden hunderte von Fällen, in denen Großunternehmen durch Vergünstigungen in einem Land sich vor der Steuerlast in einem anderen Staat drücken, indem sie etwa Gewinne verschieben. Solche Möglichkeiten wurden Konzernen wie Apple, Amazon, Google oder Ikea nicht nur in Luxemburg eingeräumt. Die EU-Kommission prüft derzeit Steuerdeals im Großherzogtum, in Irland und in den Niederlanden. Den Mitgliedstaaten entgehen durch solche Vorabsprachen sowie andere Arten der "Ineffizienz in der Steuereintreibung" schätzungsweise Einnahmen in der Höhe von bis zu 190 Milliarden Euro jährlich, zitiert der Bericht des Sonderausschusses im EU-Parlament eine Studie.
Vor den Abgeordneten verteidigte Juncker die Möglichkeiten der Konzerne als legal. Doch Vorwürfe, er habe in Luxemburg ein System der Steuerhinterziehung oder -vermeidung erschaffen, wies er zurück. "Sie überschätzen meine Talente", meinte der Ex-Finanzminister. Vielmehr hätten die Steuerbehörden bestehende Gesetze zur Anwendung gebracht, ohne dass Regierungsmitglieder darauf Einfluss hätten.
Dennoch räumte auch Juncker ein, dass es Missbrauch und Fehler bei den Steuervorbescheiden gegeben habe. Diese "Unordnung" müsse "beendet werden". Die im EU-Parlament geforderte Pflicht zur Berichterstattung durch die Konzerne will die Kommission nun prüfen.
Einheitliche Grundlage für Besteuerung gefordert
Es gehe darum, die "Sondersysteme einzelner Länder wirklich unter die Lupe zu nehmen", ergänzte Moscovici. Er sprach von einem "gefälschten Wettbewerb" zwischen multinationalen Unternehmen sowie kleinen und mittleren Betrieben. Diese hätten weniger Möglichkeiten zur kreativen Buchführung und hätten bis zu 30 Prozent höhere Steuern als große Konzerne.
Wie Juncker verwies Moscovici außerdem darauf, dass ein neuer Anlauf zur Schaffung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für Steuern genommen werden soll. Dadurch gäbe es zumindest gemeinsame Standards dafür, was Unternehmen versteuern müssen. Versuche dazu hat es schon mehrere gegeben, doch waren - und sind noch - manche Mitgliedsländer dagegen.
Auf eine Vereinheitlichung pochen EU-Parlamentarier. Das würde den Steuerwettbewerb nicht verhindern, ihn aber "transparent und fair" machen, erklärt der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas. Die Veröffentlichungspflicht sei daher wesentlich: Unternehmen sollten ihre Steuern, Gewinne und die Zahl der Angestellten offenlegen. Das Ziel müsse sein, dass dort versteuert wird, wo die Wertschöpfung entsteht.
Der Austausch der Steuerinformationen sollte aber nicht nur zwischen den Behörden erfolgen, findet die SPÖ-Mandatarin Evelyn Regner. Vielmehr sei eine öffentliche, "echte Berichterstattung" nötig. Juncker selbst sollte aktiver dazu beitragen, "die Geheimniskrämerei" der Unternehmen und Staaten zu beenden. Stattdessen aber blieb der Kommissionspräsident bei seinem Auftritt konkrete Ansagen schuldig, kritisiert Regner. Über Allgemeinplätze sei Juncker nicht hinausgegangen.