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Wenn aus einem innerkatholischen pastoralen Problem ein Politikum wird, darf man nicht vergessen, dass gleichzeitig ein wiederaufgenommener Bischof Ansichten vertritt, die sich mit denen des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad decken. Der Vatikan ist ja auch ein weltlicher Staat mit großer politischer Verantwortung. Ein drohender Rechtsruck wirkt daher ziemlich alarmierend. Moralisch gesehen niederschmetternd.
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Im Sinne des judeo-christlichen Erbes und des gemeinsamen Verständnisses von uneingeschränktem Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes, der prinzipiell nicht strafen will, sondern erwartet, dass sündige Menschen sich in Reue seinen Geboten zuwenden, sind einige Betrachtungen zu den rezenten Turbulenzen in Glaubensfragen unerlässlich.
Unser Vater Abraham, für mich die strahlende Leuchtfigur des Ersten Bundes, war mit allen jenen Eigenschaften gesegnet, die das Idealbild des gottergebenen Menschen ausmachen. Seine Milde, seine Menschenliebe und sein Streben nach Frieden und Brüderlichkeit in Ausgeglichenheit der notwendigen Lebensbedingungen sollten täglich unser Vorbild sein. Er setzte sich unermüdlich bei Gott ein, um Strafe von den Menschen abzuwenden. Er stritt sogar mit Gott um die Gewährung von Barmherzigkeit.
Gott straft nicht kollektiv. Er vernichtet nicht auch Unschuldige dort, wo es darum geht, das Böse auszumerzen. Gott zerstörte Seine eigene Schöpfung, als die Sünden der Menschen überhand nahmen, aber Er rettete Noah und die seinen, um die Welt gebessert wieder herzustellen.
Abraham seinerseits verwendete sich für die Rettung der sündigen Städte Sodom und Gomorra. Er, der bereit gewesen war, seinen einzigen Sohn zu opfern, wollte nicht, dass Gott mit den Bösen auch die Guten vernichte. Für 50 Gerechte sollte Gott doch bereit sein, die beiden Städte zu verschonen, denn die Guten gelten mehr als alle Sünder. Nach langem Hin- und Her-Handeln, machte Gott ihm klar, dass es in Sodom und Gomorra nur einen einzigen Gerechten gab: Es war Lot, sein Neffe. Er und seine Familie sollten gerettet werden. Wer die Bibel so liest, kann Gott nur nach Seiner Güte messen und Ihn nicht als gnadenlosen Scharfrichter sehen. Das Christentum sollte in der Auslegung der Bibel auf diese Beispiele zurückgreifen und alles Übel der Gerechtigkeit Gottes überlassen.
Im Herz und Geist aller Gläubigen sollte die Inquisition in welcher Ausformung auch immer endgültig vorbei sein, was die Leugnung und Verharmlosung des Massenmordes der ersten Auserwählten in der Gefolgschaft des einzigen Herrn automatisch undenkbar macht. Der Gott Abrahams kann damit endlich zum Licht der Völker werden, in der Eintracht seiner Nachfahren. Was für ein Leben könnte man auf Erden führen, wenn man nicht glaubte, dass Gott erbarmungsvoller und gerechter sei als die Menschen?
Rita Koch ist Dolmetscherin und Journalistin.