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Ein Stück Anarchie im Büro-Alltag

Von Caroline Bock

Wirtschaft

"Ich bin hier auf der Arbeit und nicht auf der Flucht", "Überarbeitet und unterbezahlt" oder die Uhr, auf der alle Ziffern eine Fünf sind, mit der Anweisung, "Kein Bier vor 5": In vielen deutschen Büros gehören Humorpostkarten, Diddl-Maus-Tassen, kopierte Witze und E-Mail-Scherze zum Alltag.


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"Was ist denn da so komisch?", hat Oswald Neuberger, Professor für Personalwesen an der Universität Augsburg, gefragt. Für ihn ist "Der Witz in der Firma", so der Untertitel eines seiner Bücher, "eine Sache, die schon tausend Jahre alt" ist. Früher sei etwa der Webstuhl Witzobjekt gewesen, jetzt sei es halt der Computer, sagt Neuberger.

Deutscher Humor oder internationales Phänomen

Einen "typisch deutschen Humor" gibt es nach seiner Meinung nicht. Die Vorlagen für die Witze seien international ähnlich, das Repertoire vergleichbar. Die Funktionen des Bürowitzes, so hat die - übrigens nicht besonders lustige - Humorforschung ergeben, sind vielfältig: Man reagiert sich ab, verbündet sich, lacht gemeinsam über den Chef: "Es hat eine solidarisierende Wirkung", so Neuberger.

Auch der Soziologe Horst Bosetzky, unter dem Kürzel -ky als Krimi-Schriftsteller bekannt, hat die Blüten des Bürohumors beobachtet. "Das ist ein Stück Anarchie", sagt er: "Jede Gruppe hat ihren spezifischen Humor." Die Witzchen und Sprüche beschränken sich aber nicht auf das ewige "Maaaaahlzeit" oder auf Synonyme wie "Rundablage" für Papierkorb. Sie können "hochelaboriert" sein, erklärt Bosetzky: "Man kann Büros treffen, wo es sehr sophisticated ist." In den USA sammelten die Forscher Alan Dundes und Carl Pagter schon vor Jahrzehnten die "Xerox lore", die Cartoon-Folklore aus dem Kopierer.

"Man muss zwar nicht ausgesprochen blöd sein . . ."

Zu den in Deutschland weit verbreiteten Schildern in Büros und Behörden gehören ein angeschlagener Donald Duck mit der Losung, "Man muss zwar nicht ausgesprochen blöd sein, um hier zu arbeiten, aber es erleichtert die Sache ungemein" oder: "Als Gott die Gehälter der Mitarbeiter dieser Abteilung sah, drehte er sich um und weinte bitterlich."

Andere Klassiker: "Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger" und "Kündigung zwecklos! Sklaven müssen verkauft werden!" Bei E-Mails sind es häufig Fotomontagen, die die Runde machen. Doch nicht nur Computerscherze und kopierte Witze gehören zum Fundus des Bürohumors, auch Tassen mit "Chef" oder "Lieber ein Schäferstündchen als zwei Überstunden", Figuren aus Überraschungseiern und der ewige Wackeldackel auf dem Computer zählen zu den Versuchen, den Alltag aufzulockern.

Viele Firmen lassen ihren Mitarbeitern - außer bei privaten E-Mails - freie Hand, solange es den Betriebsfrieden nicht stört. "Das kann jeder halten, wie er möchte", heißt es etwa bei der Deutschen Telekom. Manche Unternehmen, wie zum Beispiel die Werber von Jung von Matt, legen hingegen Wert auf ein karges, sachliches Ambiente. "Weil die JvM-Agenturen ein offenes Raumkonzept haben, sind wir für Ordnung am Arbeitsplatz", so Inka Wittmann von der Personalabteilung: "Yucca-Palmen in der Büroecke, Scherz-Aufkleber an Telefonen und andere Büroindividualisierung dieser Art sind hässlich und wenig inspirierend - und deshalb bei uns fehl am Platz."