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Ein Stück Machtverlust

Von Ina Weber

Politik
Viele Beamte übersiedelten als Richter vom Magistrat zum neuen Landesverwaltungsgericht.
© corbis

Nun soll es mehr gewählte Richter und weniger "Amtsmitglieder" geben.


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Wien. Es ist ja im Grunde eine Bundesangelegenheit und keine dezidierte Wien-Sache. Und dennoch hat die Bundeshauptstadt in der Causa Landesverwaltungsgerichtsgesetz im Gegensatz zu den anderen Bundesländern ihr eigenes Spiel gespielt und - ist damit ins offene Messer gelaufen. Wiens SPÖ und Grüne haben ein Gesetz beschlossen, das in einigen Punkten heikel und in einem Punkt besonders umstritten war. Die Opposition hat nun den Verfassungsgerichtshof angerufen und gewonnen. Das erst mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretene neue
Landesverwaltungsgerichtsgesetz muss daher saniert werden.

Doch von Anfang an: Seit 1. Jänner 2014 hat jedes Bundesland in Österreich ein eigenes Landesverwaltungsgericht anstelle von Berufungssenaten und unzähligen Sonderbehörden. Die "Wiener Zeitung" hat darüber berichtet. Durch diese Reform hat man den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprochen, wonach jeder Bürger in allen Verwaltungsrechtssachen das Recht hat, von einem unabhängigen Richter beurteilt zu werden.

Zweifacher Instanzenzug

Nach dem Magistrat als Beschwerdeanlaufstelle in erster Instanz standen in Wien bisher die genannten Senate und Behörden innerhalb der Magistrate zur Verfügung - waren also nicht wirklich unabhängig. Das neue Gesetz sieht zwar den Magistrat weiter als erste Instanz. Als zweite Instanz wurden aber die unabhängigen Landesverwaltungsgerichte eingeführt. Ganze Behörden und viele Beamte zogen damit in das Gebäude des vormals Unabhängigen Verwaltungssenats (UVS) im 19. Bezirk, welches nun zum neuen Landesverwaltungsgericht mutierte. Dort sind 81 Richter beschäftigt. Davon wurden 58 vom UVS übernommen und 23 von anderen Stellen, wie etwa Magistrate. Dazu kommen 28 Rechtspfleger, die den "leichteren Teil" der Arbeit übernehmen sollen. Von 22.000 Fällen im Vorjahr wurden 17.000 von Richtern und 5000 von Rechtspflegern bearbeitet.

Doch so leicht dürfte es der Stadtregierung nicht fallen, ein Stück Macht aufzugeben. Denn jener Punkt zu der Zahl der gewählten Mitglieder im Geschäftsverteilungsausschuss sah vor, dass der Präsident, der Vizepräsident - beide von der Landesregierung bestellt - lediglich zwei weiteren auf Vorschlag gewählten Richtern gegenübersteht. Bei Stimmengleichheit hätte der Präsident die Entscheidungsgewalt.

Da dieser von der Politik bestimmt wird, waren Befürchtungen der politischen Einflussnahme auf die Frage, welcher Richter welches Verfahren zugeteilt bekommt, laut geworden. Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Umstand auch als nicht verfassungskonform eingeschätzt: Die Zahl der gewählten Mitglieder im Geschäftsverteilungsausschuss müsse größer sein als jene der "Amtsmitglieder", heißt es dort. Der Geschäftsverteilungsausschuss muss demnach, so wie in allen anderen Bundesländern von vornherein, mindestens drei statt bisher zwei gewählte Mitglieder haben.

Auf die Frage, warum SPÖ und Grüne nicht auch gleich mindestens drei statt zwei Richter ins Gesetz genommen hat, wusste der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Kurt Stürzenbecher keine Antwort. "Mir gefällt die neue Version auch viel besser." "Was der Verfassungsgerichtshof sagt, ist umzusetzen", sagt er. Mit der Sanierung sei das Gesetz nun "noch unabhängiger". Auch die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Monika Vana, sieht "die Unabhängigkeit jetzt noch stärker gewährleistet".

Für die ÖVP Wien ist mit der Sanierung der "gröbste Missstand beseitigt", sagt der stellvertretende Klubdirektor Lukas Kandlhofer zur "Wiener Zeitung". Immerhin bestimme der Geschäftsverteilungsausschuss, welcher Richter für welchen Fall zuständig ist. Die ÖVP will bei der Anpassung des Gesetzes beim Landtag am 25. März zustimmen. Allerdings räumt Kandlhofer ein, dass sie nicht ausschließen, danach noch einmal den Verfassungsgerichtshof anzurufen. "Die Verwaltungskräfte sind für ein Jahr eingestellt, die Richter müssen sich ihre Talare selbst zahlen und die Frage der Rechtspfleger ist noch offen", nennt er Gründe. Die Kompetenzen der Rechtspfleger gehen der ÖVP zu weit. Das Gesetz sieht vor, dass diese "in minderschweren Fällen Verfahren selbständig unter Fachaufsicht der Richter führen" dürfen. Dagegen hatte der Verfassungsgerichtshof allerdings nichts einzuwenden. Auch dürfe das Wiener Landesgesetz vom Bundesgesetz abweichen.