Familienforscher Mazal: Gebündelte Familienagenden können Kraft entfalten.
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Wien. Die "Familienpartei" ÖVP hat also wieder ein eigenständiges Familienministerium geschaffen. ÖVP-Obmann Michael Spindelegger hat sich dafür die politische Newcomerin Sophie Karmasin gewünscht. 1983 wurde erstmals ein Bundesministerium für Familie, Jugend und Konsumentenschutz eingerichtet. Später war Familie ein Anhängsel von Umwelt, dann des Sozialministeriums, dann des Gesundheitsministeriums und zuletzt eben des Wirtschaftsministeriums von Reinhold Mitterlehner.
In Österreich sind 268.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre armutsgefährdet. Interessenvertreter der Kinder fordern daher seit langem eine ausreichende finanzielle Absicherung der Familien und deren Unterstützung durch Kinderbetreuungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das wird nun alles auf der Agenda der neuen Familienministerin stehen. Caritas-Präsident Michael Landau weist darauf hin, "dass Kinderarmut immer aus Elternarmut resultiert" und vor allem Kinder aus alleinerziehenden und Mehrkindfamilien überdurchschnittlich von Armut bedroht sind. Landau vermisst im Regierungsprogramm konkrete Maßnahmen. Es sei "unverständlich, dass die Wertanpassung der Familienleistungen auf die lange Bank geschoben werden soll".
Zwar hat das Familienministerium relativ viel Geld zur Verfügung - aber nur, weil es den Familienlastenausgleichsfonds verwaltet. 6,6 Milliarden Euro gibt der Staat insgesamt für Familie und Jugend aus. Nur 3,2 Milliarden Euro stehen als Familienbeihilfen für 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche zur Verfügung. An sich gibt es im Familienministerium noch - ein Budget für 2014 muss ja erst noch beschlossen werden - relativ wenig Gestaltungsspielraum. Denn die Familienbeihilfe ist ein Durchlaufposten, und Jugendagenden sind Sache der Länder.
"Die formalen Kompetenzen des Familienministeriums sind sehr dünn, können aber eine politische Kraft entfalten", sagt Wolfgang Mazal, Leiter des Instituts für Familienforschung an der Uni Wien zur "Wiener Zeitung". Das Ministerium könne als Plattform wirken und so Ausgangspunkt für eine politische Dynamik sein. Familie sei wie Frauen oder Gesundheit eine Querschnittsmaterie - es komme eben darauf an, was man daraus mache.
Auch Bernhard Baier, Präsident des Familienbundes (parteiunabhängig, aber ÖVP-nahe), freut sich darüber, dass Familien wieder eine Lobby haben. Es sei wichtig, dass Familie in der Tagespolitik wieder sichtbar gemacht werde. Er fordert die rasche Anhebung von Familienbeihilfe und Kindergeld, Überlegungen im Laufe der Legislaturperiode, wie diese Familienleistungen valorisiert werden können und eine Bewegung in Richtung steuerlicher Freibeträge für jedes unversorgte Familienmitglied.
Kinderbetreuungskonto statt Kindergeld
Geplant ist laut Regierungsprogramm die Einführung eines Kinderbetreuungsgeldkontos. Damit wird das System des Kindergelds umgestaltet. Künftig soll es ein Konto mit einer Fixsumme geben, Dauer und Bezugshöhe sind frei wählbar. Der Wegfall der Zuverdienstgrenze und die Einführung einer Arbeitszeitgrenze werden noch beraten. Außerdem soll die Familienbeihilfe ab Juli 2014 erhöht werden. Dafür stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung.
Unangetastet bleiben die Mittel für die Ganztagsbetreuung an Schulen (400 Millionen Euro), den Ausbau der Kinderbetreuung (350 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren) - die beim Unterrichtsministerium angesiedelt ist - oder für den Wohnbau (276 Millionen) - der Sache des Wirtschaftsministeriums ist. Der Plan, davon etwas für die Familienbeihilfe abzuzwacken, sorgte in den Verhandlungen für Verstimmungen bei der SPÖ.
Zudem soll es ein zweites kostenloses Kindergartenjahr für Vier- bis Fünfjährige geben. Dieses soll verpflichtend sein - "für die, die es brauchen", heißt es unter dem Punkt "Integration". Das letzte Kindergartenjahr soll Teil einer Schuleingangsphase werden. Für Sprachförderung gibt es 20 Millionen Euro.
Geprüft werden soll eine Verkürzung des Anspruchs auf Elternteilzeit vom siebenten auf das fünfte Lebensjahr oder vierte Lebensjahr parallel zum Ausbau der Kinderbetreuung. "Geprüft" wird auch die Einführung des "Papamonats".