Die Arbeitssituation vieler 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich ist prekär. | Amnesty fordert faire Einkommen, sichere Arbeitsbedingungen und eine Beschwerdestelle.
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Das Verständnis mancher Pflegebedürftiger für die 24-Stunden-Betreuung ist bescheiden: Katarína, eine slowakische 24-Stunden-Betreuerin, sagte nach halbstündlichem Kissen- und Deckenaufschütteln um 3 Uhr morgens zu dem älteren Mann, den sie betreute, "auch, weil ich schon todmüde war: ‚Ich kann nicht mehr, ich muss auch ein bissl schlafen, weil um 6 Uhr muss ich aufstehen wegen der Medikation.‘" Seine Antwort: "‚Ja, aber Sie sind eine 24-Stunde-Pflegerin, ich zahle Sie nicht fürs Schlafen hier.‘ Das tut eigentlich weh. Weil ich bin kein Roboter. Ich bin auch nur ein Mensch."
Die Episode ist im Bericht von Amnesty International (AI) "Wir wollen nur ein paar Rechte" über die Arbeitssituation von 24-Stunden-Betreuerinnen in Österreich nachzulesen - auch von teils "schockierend schlechter Bezahlung", übermäßig langen Arbeitszeiten, weder Urlaub noch Krankengeld, oft auch keinen Pausen, als Selbständigkeit "verschleierten Arbeitsverhältnissen", erläutert Teresa Hatzl, die bei AI Österreich für wissenschaftliche Studien verantwortlich ist. "Das österreichische System ermöglicht die Ausbeutung von 24-Stunden-Betreuerinnen."
Migrantinnen mit geringer Entlohnung
Von den mehr als 60.000, die in der 24-Stunden-Betreuung in Österreich arbeiten, tun das 98 Prozent als Selbständige. 92 Prozent sind Frauen, 98 Prozent haben Migrationshintergrund - die meisten rumänischen oder slowakischen.
Das statistische Amt der Slowakischen Republik hat 2019 erhoben, wie hoch das Nettoeinkommen jener war, die 2016 in der 24-Stunden-Betreuung in Österreich arbeiteten. Es lag bei 840 Euro im Monat, also 10.080 Euro pro Jahr. Im Durchschnitt lag das österreichische Nettoeinkommen laut Eurostat damals bei 30.601 Euro netto jährlich. Der Mindestnettolohn für die zwei Prozent angestellten Betreuerinnen liegt im Übrigen zwischen 17.484 Euro jährlich mit bis zu fünf Jahren Berufserfahrung bis zu 21.129 Euro ab elf Jahren in der 24-Stunden-Betreuung.
AI-Österreich-Geschäftsführerin Annemarie Schlack fordert "sichere Arbeitsbedingungen mit fairer Bezahlung". Sowohl gerechte, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen als auch das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt seien in der Europäischen Sozialcharta, die Österreich ratifiziert hat, als Menschenrechte verankert.
Viele sind Selbständigewider Willen
Sofia, eine 24-Stunden-Betreuerin aus der Slowakei, erzählt von einem dementen Paar, das sie betreut: "Man hält mich für ein Dienstmädchen." Davor arbeitete sie bei einem Mann mit Multipler Sklerose und Pflegestufe 7, während ihrer Freizeit musste sie "im Nebenzimmer des Patienten" bleiben. Obwohl sie Selbständige sind, können 24-Stunden-Betreuerinnen weder Arbeitszeit noch Pausen oder Honorar selbst bestimmen. Sowohl die Interessenvertretung IG24 als auch die Vernetzungsstelle CuraFAIR von der Volkshilfe sehen in der "Scheinselbständigkeit das Grundproblem".
"Eigentlich wollen wir nur ein paar Rechte. Unsere Arbeitsbedingungen sollten auch kontrolliert werden. Im Vertrag steht das eine; vor Ort, wenn man beginnt zu arbeiten, sieht es anders aus. Es ist schwierig, Pausen zu machen oder durchzuschlafen. Wir sind oft von der Extra-Arbeit überfordert", wird Hilda, eine 24-Stunden-Betreuerin aus Rumänien, im AI-Bericht zitiert.
Schlack fordert deshalb, dass Arbeitsinspektorate bei unangekündigten Kontrollbesuchen prüfen, bei welchen Selbständigen es sich um verschleierte Arbeitsverhältnisse handelt, eine Kontroll- und Beschwerdestelle für jene, die in der 24-Stunden-Betreuung arbeiten, sowie eine verpflichtende Zertifizierung der Vermittlungsagenturen. "Auch, was die Arbeitsbedingungen anbelangt." Solidarische können die Regierung per AI-Petition dazu auffordern, diese Forderungen umzusetzen.
Bleibt diese untätig, könnten Klagen wie kürzlich in Deutschland folgen. Ein Urteil des deutschen Bundesarbeitsgerichts hat vor Kurzem festgestellt, dass Betreuungskräfte "Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn" haben, auch während der Stunden mit Bereitschaftsdienst.
Ein vergleichbares Urteil des Obersten Gerichtshofs gab es in Österreich laut Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal bereits 2011. Betreuerinnen, die bei Pflegebedürftigen der Pflegestufe 3 tätig sind, sind demnach Arbeitnehmerinnen. "Warum man das in Österreich weitgehend ignoriert hat, verstehe ich bis heute nicht", sagt Mazal gegenüber dem Ö1-"Morgenjournal".