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Ein Tabu, das zum Himmel schreit

Von Eva Stanzl

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Die TV-Berichterstattung zum Fall Dominique Strauss-Kahn ist weitgehend alles, nur nicht objektiv. Als der ehemalige Währungsfonds-Präsident im Mai wegen Vorwürfen der Vergewaltigung festgenommen wurde, stellten die Medien den 62-Jährigen erniedrigend zur Schau, obwohl für ihn wie für alle in seiner Lage die Unschuldsvermutung gilt. Die sie nun aus heiterem Himmel wieder ausgegraben haben: Als "sichtlich gezeichnet" bezeichnete diese Woche die "ZiB 2" den prominenten Delinquenten, der im Gerichtssaal in Manhattan mit einer Miene wie ein Lamm dasaß. An der Seite seiner Frau plädierte Strauss-Kahn auf "nicht schuldig".


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Man würde meinen, dass es nur recht und billig ist, wenn jemand, der hoch oben steht, auch tief fällt. Immerhin sollten Menschen an der Spitze der Gesellschaft ein Vorbild sein und sichtbar verantwortlich handeln. Doch das tun sie nicht. Sondern sie leisten sich alles. Auch Star-Anwalt Benjamin Brafman, der Strauss-Kahns Plädoyer mit Hilfe einer eigens dafür gegründeten Firma verteidigt, die das Leben des betroffenen Zimmermädchens durchleuchtet. Finden die Detektive auch nur eine einzige Inkongruenz im Leben der 32-Jährigen aus Guinea, macht das die Anklage unglaubwürdig. Das Opfer hat von vornherein verloren, Vergewaltigung wird zum Kavaliersdelikt. Wie sehr das zum Himmel schreit, thematisieren die berichterstattenden Medien aber nicht.