Priorität von Auslandseinsätzen längst nicht unumstritten. | Streit um UNO-Mandat, Kompromiss bei Nato-Option. | Debatte um Wehrpflicht kocht weiter. | Wien. Welches Bundesheer braucht Österreich? Darüber wird im Rahmen der Gespräche über eine neue Sicherheitsstrategie bereits seit Monaten diskutiert, wenngleich hinter den Kulissen. Der vom wahlkämpfenden Wiener Bürgermeister veranlasste Schwenk der SPÖ beim Grundwehrdienst hat diese Debatte nun lediglich vor den Vorhang gezerrt. Und womöglich ein potenzielles Endergebnis als politische Vorgabe festgezurrt.
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Denn wie die Streitkräfte künftig aufgestellt werden, sollte eigentlich davon abhängen, welche sicherheitspolitischen Aufgaben zu erfüllen sind. Davon sind zumindest die Experten im Bundesheer überzeugt, die es allerdings vorziehen, im Hintergrund zu bleiben.
Internationale Einsätze zivil-militärischer Natur im Auftrag von UNO und EU: Das streichen all jene Teile des Bundesheeres, die die herkömmliche Territorialverteidigung für überkommen halten, und das Aussenministerium hervor. Für sie sind internationale Einsätze Frage des Prestiges und Faustpfand bei diplomatischen Verhandlungen.
Deutlich tiefer auf der Prioritätenreihung finden sich die Auslandseinsätze aus Sicht des Innenministeriums. Hier betont man naheliegenderweise die Rolle des Bundesheeres für die innere Sicherheit. Etwa für den Fall, dass umfangreiche Gebäudesicherungen notwendig sind, wie dies bei akuter Terrorgefährdung durchaus möglich ist.
Balkan ja, Tschad nein?
Eine einseitige Konzentration der künftigen Heeresstrukturen auf Auslandseinsätze sieht man deshalb im Innenministerium höchst skeptisch. Hier fordert man deshalb eine Schwerpunktsetzung im Sinne österreichischer Interessen. Übersetzt heißt dies nichts anderes als ja zu Bundesheereinsätzen am Balkan, nein zu Missionen wie dem Tschad. Auch die Führungsfähigkeit Österreichs für eine für internationale Einsätze konzipierte Framework-Brigade ist allenfalls für Verteidigungs- und Außenministerium ein erstrebenswertes Ziel, nicht aber für die Strategen in der Herrengasse.
In einer anderen Streitfrage verläuft der Bruch entlang der Parteigrenzen zwischen SPÖ und ÖVP: Geht es nach Verteidigungsminister Norbert Darabos, soll Österreich nur dann an einer internationalen Mission teilnehmen, wenn der Einsatz durch ein Mandat der UNO gedeckt ist. Die beiden ÖVP-geführten Ministerien für Äußeres und Inneres wollen dagegen Engagements Österreichs nicht von einem Veto der Sicherheitsratsmitglieder China oder Russland abhängig machen und pochen auf ein Mandat der Europäischen Union. Am Ende wird sich wohl, so vermuten Beobachter, der ÖVP-Standpunkt durchsetzen.
In der Frage der Option auf einen Nato-Beitritt, den im Auge zu behalten Teil der schwarz-blauen Sicherheitsdoktrin von 2001 ist, dürfte ein für beide Parteien vertretbarer Kompromiss herauskommen: Die Beitritts-Option fällt, wie es Darabos anstrebt, weg, dafür wird die Teilnahme Österreichs an der Nato-"Partnerschaft für den Frieden" besonders betont. Damit wäre die sicherheitspolitische Integration Österreichs gewährleistet. Denn auch die entsprechenden EU-Strukturen tendieren nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen dazu, sich an die bereits bestehenden der Nato anzulehnen.
Eine Frage des Geldes
Unterdessen setzte sich auch am Mittwoch die Debatte um die Wehrpflicht fort. In den Mittelpunkt rückten dabei vor allem die Kostensteigerungen beim Umstieg auf ein Berufsheer. Generalstabschefs Edmund Entacher rechnet diesbezüglich mit einer Verdoppelung der Ausgaben auf rund 4,2 Milliarden Euro.
Ansonsten erneuerte Außenminister Spindelegger seine Kritik an Verteidigungsminister Darabos, was bei letzterem auf wenig Gegenliebe stieß. Dabei treten beide inhaltlich für eine Beibehaltung der Wehrpflicht ein. Aus mehreren Bundesländern kam Unverständnis über den Zeitpunkt des Vorstoß von Bürgermeister Häupl: Die Zukunft des Bundesheeres eigne sich nicht als lokales Wahlkampfthema.