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Ein Teamchef weniger

Von Tamara Slavik

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Josef Hickersberger hat sich des Bummerls entledigt. Dennoch muss er sich Kritik gefallen lassen.


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Natürlich gibt es in jedem Land genau um einen wirklich guten Teamchef weniger, als es Einwohner gibt. Das glauben zumindest die, die gerade nicht Teamchef sind. Der eine, der die Bürde des öffentlichen Amtes trägt, ist dagegen immer der Depp. Und natürlich steht der bei einer Großveranstaltung, zumal im eigenen Land und in Zeiten, in denen jede Wortspende via ORF live in die Haushalte der Möchtegern-Teamchefs übertragen wird, besonders im Rampenlicht. Und in der Kritik. Wie war der Satz jetzt gemeint? Was soll der Blödsinn jetzt wieder? Sowas kann man sich denken, aber doch bitte um Himmelswillen nicht sagen, tönt es dann von überallher. Keine leichte Aufgabe, wenn man dann nebenbei auch noch Spieler, bei denen vor nicht allzu langer Zeit noch jeder Pass mit der Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung verbunden war, zu einer schlagkräftigen Euro-Mannschaft formen muss.

Josef Hickersberger hat es aber geschafft, auch wenn das ausgegebene Ziel, das Viertelfinale zu erreichen, nicht realisiert werden konnte. Und trotzdem kamen in den vergangenen Tagen und Wochen selbst die ausgesprochenen Hicke-Befürworter mitunter in Argumentationsnotstand - und damit sind gar nicht strittige Entscheidungen zugunsten des einen oder anderen Spielers, zugunsten dieses oder jenen Systems gemeint.

Da wäre einmal die künstlich aufgeblasene Tormann-Entscheidung, die längst keine so große Debatte ausgelöst hätte, wäre sie zum angekündigten Zeitpunkt verkündet worden. Denn dass die Position des Torhüters jene ist, an der es im österreichischen Fußball am wenigsten krankt, ist sogar den Chef-Kritikern bekannt. Und nun also der Rückzug vom Verlängern des Vertrages, der - darauf legt Hickersberger wert - kein Rücktritt ist. Hat schon seine Ankündigung, Teamchef zu bleiben, die Präsident Stickler zwar nicht offiziell, aber doch in freudigem Einverständnis abgenickt hat, etwas Inszeniertes gehabt, so mutete die Art und Weise seines Abschieds doch befremdend an. Claudia Stöckl klagte er seine Zweifel beim gemeinsamen Frühstück, dem "Standard" kündigte er seinen Rückzug an, den er tags darauf via Pressekonferenz hochoffiziell machte. Der ORF war live dabei - bei seinen Dankesworten (an eh alle) und seinem Konter gegen seine Kritiker. Zum Abschied noch ein "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut", das wars dann. Uns hats auch gefreut, auch wenns nicht immer einfach war. Denn ob wirklich was Besseres nachkommt, darf - sofern es sich nicht um einen kaum zu bezahlenden Kracher aus dem Ausland handelt - bezweifelt werden. Ob die Art des Abschieds klug gewählt war, auch.

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"Ob etwas Besseres nachkommt, darf bezweifelt werden. Ob die Art des Abschieds klug gewählt war, auch."