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Ein Theater vor Gericht

Von Edwin Baumgartner

Analysen

Die Krise im Volkstheater spitzt sich zu. | Wenn es so weitergeht, landet die Causa tatsächlich noch vor Gericht: Der Direktor des Volkstheaters, Michael Schottenberg, hatte medienwirksam aufgeschrien: Seinem Theater geht das Geld aus. Und einen Abgang von 918.000 Euro bezeichnet er als Altlasten und weist sie damit in den Kompetenzbereich seiner Direktions-Vorgängerin Emmy Werner.


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Was die ehemalige Volkstheater-Prinzipalin auf die Barrikaden und zum Anwalt treibt. Sie hat nämlich ihrer Meinung nach eine "freundschaftliche Übergabe" gemacht. Schottenberg sollte mit einer unbelasteten Bilanz anfangen können. Und so habe er kein verschuldetes Haus übernommen, sondern eines mit einem Guthaben von 625.000 Euro. Und außerdem sei vereinbart worden, dass keine Zahlen an die Öffentlichkeit dringen.

Pikant wird das Theater um das Theater durch ein weiteres Detail: Schottenberg will nämlich den Bund in Zahlungspflicht nehmen. Schnell ist eine Drittellösung ins Gespräch gebracht worden: Ein Drittel des Abgangs soll die Stadt Wien übernehmen, ein Drittel der Bund und ein Drittel das Theater. Was Schottenberg verschweigt, ist, wie ein Theater, dem ohnehin das Geld fehlt, rund 300.000 Euro aufbringen will.

Abgesehen davon, dass der Bund mit dem Volkstheater traditionell wenig zu tun hat. Das Volkstheater ist nämlich von der Konstruktion her ein Privattheater, es wird von der Volkstheater-Privatstiftung als GmbH geführt und steht traditionell der Stadt Wien näher als dem Bund. Dementsprechend ist auch die Stadt Wien Hauptsubventionsgeber. Allerdings unterstützt auch der Bund das Volkstheater.

Während aber die Mitsprache der Stadt Wien in Fragen der Auswahl von Führungskräften des Volkstheaters ein offenes Geheimnis ist, hat der Bund von solchen Möglichkeiten wenn überhaupt so nur peripher Gebrauch gemacht.

In der konkreten Situation heißt das: Vom Bund wird verlangt, einem Theaterdirektor zu Hilfe zu kommen, der sein Haus nicht zuletzt ideologisch in denkbar weite Distanz zum Bund geführt hat und damit offenbar auch beim Publikum nicht punkten konnte. Die derzeit kolportierte Auslastung des Theaters liegt unter der 60-Prozent-Marke. Weiters hat sich das von Schottenberg initiierte Unternehmen der Dependance Hundsturm als Flop erwiesen, und bereits zwei Mal mussten Produktionen abgesagt werden.

Sollte der Bund nun eine finanzielle Beteiligung an einer Entschuldung des Volkstheaters von einem Wechsel in der Direktion abhängig machen, wäre das die normale Vorgangsweise.

Dann allerdings käme im Volkstheater und aller Voraussicht nach auch in der Stadt Wien etwas wie Bunkerstimmung auf.

Kommt dazu möglicherweise noch das gegen Emmy Werner verlorene Gerichtsverfahren, wäre das dann der letzte Anlass, in Michael Schottenberg endgültig etwas wie einen Märtyrer sozialistischer Wiener Theaterkultur zu sehen.