Reiten, Tanzen, Reden und einfach Kind sein dürfen - das ist mit kurzen Worten beschrieben "Move", ein Therapiemodell, welches das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) gemeinsam mit der Wiener Beratungsstelle Horizonte ins Leben gerufen hat. Eine Woche lang lernen Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten fernab ihrer gewohnten und oft schmerzlich erlebten Umgebung, wie sie besser im Alltag mit ihren Problemen zurecht kommen.
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"Das Besondere an 'Move' ist, dass es Elemente aus der Verhaltens- und Bewegungstherapie verbindet und so Entwicklungsimpulse setzt, die mit einer einzelnen Therapieform nur schwer zu erreichen wären", sagt Brigitte Cizek, Geschäftsführerin des ÖIF und Mitinitiatorin von "Move". In dieser einen Woche werden die Kinder dabei therapeutisch unterstützt, mit ihren Emotionen positiv umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und alternative Verhaltensweisen zu entwickeln.
Für Cizek, die selbst als Therapeutin mit Kindern mit Gewalterfahrung arbeitet, ist es wichtig, die Kinder eine Woche aus ihrem sozialen Milieu herauszuholen und nach der Woche auch weiterhin zu betreuen. "Wir können den Kindern keine heile Welt schaffen, aber wir können ihnen helfen ihren Alltag besser zu meistern," erzählt Cizek über ihre Erfahrungen.
Die Störungen der Kinder haben ihre Ursache in traumatischen Erlebnissen wie psychischen, physischen und/oder sexuellen Gewalterfahrungen, in Trennungs- und Scheidungserfahrungen in der Familie sowie in Schulproblemen.
Das für Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren konzipierte Modell besteht aus den drei Modulen Gespräch, Pferd und Tanz: In Gruppensitzungen tauschen die Kinder ihre Erlebnisse beim Reiten und Tanzen aus. Die Gruppe fungiert dabei als soziale Ressource, in der Probleme besprochen und miteinander Lösungen erarbeitet werden. In Einzelgesprächen mit dem/der PsychologIn bzw. PädagogIn wird auf die speziellen Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingegangen.
Der Umgang mit Pferden und das therapeutische Reiten ist besonders für Kinder sehr gut geeignet. Sie finden schnell Zugang zu den Tieren und können eine gefühlsmäßige Beziehung zu ihnen aufbauen. Durch das Tier erlebt sich das Kind emotional unterstützt und erlernt Selbstvertrauen.
"Beim Umgang mit Tieren kommt es darauf an, wie man sich verhält und nicht wie man aussieht oder ist," erklärt Christiane Pfeiffer, Leiterin der psychosozialen Forschungsabteilung des ÖIF, die Vorzüge der tierunterstützten Therapie.
Die Bewegung zur Musik wiederum ermöglicht den Kindern, eigene Gefühle besser auszudrücken sowie Aggressionen abzubauen. Über den Tanz werden Koordination und Konzentrationsfähigkeit geschult. Die harmonische Bewegung zur Musik wirkt sich positiv auf die Psyche des Kindes aus.
"Move" ist die durch das Element Tanz erweiterte Variation des ursprünglichen Projektes "Horsetalks", das drei Jahre lang entwickelt wurde.
Corporate Citizenship
Finanziert hat diese Therapiewoche auf einem Salzburger Bauernhof, an der in diesem Jahr sieben Wiener Kinder teilnahmen, die Henkel-Gruppe, die das soziale Engagement ihrer Mitarbeiter durch eine Spendenaktion unterstützt.
Corporate Citizenship meint das über die Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement für die Gesellschaft. Zu diesem Zweck hat Henkel die Initiative MIT - Miteinander im Team - gegründet. Weltweit werden von der Henkel Gruppe eine Million Euro für Kinderprojekte zur Verfügung gestellt. In Österreich wurden das Projekt "Move" mit 8.000 Euro bereit gestellt.
Natürlich wäre es wünschenswert, mehr Kindern in Österreich eine solche Therapiewoche zu ermöglichen, weiß Brigitte Cizek, aber es ist schwierig, Unterstützung zu finden. "Kinder, die am Rande der Gesellschaft stehen, sind für die Wirtschaft uninteressant," meint sie bitter.
"Move" ist so konzipiert, dass es auch an Volksschulen zur Förderung von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden kann und wird im laufenden Schuljahr zum ersten Mal angeboten.