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Ein Traum von früher

Von Christian Rösner und Matthias G. Bernold

Politik
Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka nahm als erster Spitzenkandidat im TV-Radl Platz.
© Stanislav Jenis

ÖVP-Chef Manfred Juraczka glaubt, dass seine Partei beim Urnengang im Oktober für eine Überraschung sorgen wird.


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Wien. Ab heute, Samstag, bringen wir Interviews mit den Spitzenkandidaten zur Wien-Wahl. Und zwar im ersten mit Muskelkraft betriebenen mobilen TV-Studio der Welt - eine Kooperation von "Wiener Zeitung" und dem Stadtsender W24. Den Anfang macht Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka - Teile des Interviews sind auch als Video auf der Homepage der "Wiener Zeitung" zu sehen.

"Wiener Zeitung":Fahren Sie eigentlich privat auch gelegentlich mit dem Fahrrad oder lassen Sie sich nur herumchauffieren?Manfred Juraczka: Ich bin sicher keiner, der sich nur herumchauffieren lässt, ganz im Gegenteil. Ich nutze das Rad extrem gerne, beispielsweise am Wochenende als Sportgerät. Als Verkehrsmittel tagsüber kommt es bei mir aufgrund der Vielzahl von Terminen eigentlich nicht zum Einsatz.

Kommen wir zur Politik: Seit Erhard Busek ist die Wiener ÖVP immer weiter unter die 20 Prozentmarke gerutscht. Heute kämpft die ÖVP um ein zweistelliges Ergebnis. Sind Sie der Konkursmasseverwalter der Wiener ÖVP oder können sie der Partei Zugewinne bringen?

Es stimmt, wir hatten in den 1980er Jahren Prozente und Mandate, von denen wir heute nur träumen können - allerdings in einem Zwei-Parteien-System, wo die SPÖ 60 Prozent hatte. Und es muss ein erklärtes mittelfristiges Ziel sein, die ÖVP wieder über die 20-Prozent-Marke zu bringen. Ich glaube, dass wir im Oktober die Überraschung dieser Wahl sein werden. Denn wir haben 150.000 Arbeitslose und eine explodierende Verschuldung. Und wer, wenn nicht die ÖVP, soll den Wirtschaftsstandort Wien wieder auf Vordermann bringen?



Wie geht das, wenn Sie um ein zweistelliges Ergebnis kämpfen?

Das sagen die Journalisten. Die Umfragen sagen etwas anderes.

Was sagen die?

Ich bin zuversichtlich, dass wir zum Ergebnis von 2010 einen Zuwachs bekommen.

Also mehr als 14 Prozent?

14 plus, so ist es.

Was sagen Sie dazu, dass nun Ursula Stenzel für sich beansprucht, bürgerliches Sammelbecken für die Wähler zu sein, was ja eigentlich immer Ihr Anspruch war?

Also wenn Ursula Stenzel schon jetzt das ganze Wording der FPÖ auf ihrer Homepage hat und plötzlich ganz massiv für den Ausbau des Gemeindebaus eintritt, dann bin ich gespannt, wo sie im ersten Bezirk einen errichten will. Das sind jedenfalls keine bürgerlichen Werte. Außerdem wechselt ein anständiger Christdemokrat nicht aus persönlichen Motiven zur FPÖ.

Aber Sie würden eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließen?

Ich habe immer gesagt, es ist ein guter politischer Stil, mit allen zu reden. Aber da gibt es bei den anderen Parteien für uns sicher den einen oder anderen Knackpunkt. Die SPÖ etwa müsste sich wirtschaftspolitisch neu besinnen, die FPÖ in der Europa- und Integrationspolitik.

Könnten Sie sich Rot-Grün-Schwarz vorstellen, falls Rot-Grün keine Mehrheit mehr erreicht?

In Kenntnis der derzeitigen Wirtschaftspolitik und der Verkehrspolitik von Rot-Grün ist das nur rein philosophisch möglich. Da müssten die Grünen vernünftige Verkehrspolitik machen.

Dann eine ebenso philosophische Frage: Was würden Sie als Erstes tun, wenn Sie Bürgermeister werden würden?

Ich würde den Juraczka-Ruck-Plan (Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck Anm.) für mehr Arbeitsplätze umsetzen. Alleine die Tourismuszonen für die Sonntagsöffnung in der Innenstadt würden sofort 800 bis 1000 Arbeitsplätze bringen, ohne dass die Stadt dafür Gelder in die Hand nehmen muss.

Was ist Ihrer Meinung nach vernünftige Verkehrspolitik?

Vernünftig ist, wenn man Anreize schafft und nicht mit Schikanen arbeitet. Die Grünen wollten ja sogar Tempo 30 am Gürtel, was Gott sei Dank am Widerstand der SPÖ gescheitert ist. Für so eine Verkehrspolitik bin ich nicht zu haben.

Sind Sie also kein Freund des Ausbaus von Radwegen?

Ich finde es gut und wichtig, Platz für alle zu etablieren. Das Allerwesentlichste ist aber sich zu fragen, wie gehe ich mit den 250.000 Pkw um, die täglich einpendeln. Da sollte Wien so agieren wie alle anderen europäischen Großstädte und die U-Bahn bis zum Stadtrand oder darüber hinaus bauen. Dort könnte man mit Park&Ride-Anlagen die Pendler umsteigen lassen - als Angebot und nicht als Zwang.

Und gegen die Parkraumbewirtschaftung sind Sie auch?

Nein. Dass eine Stadt so etwas braucht, ist klar. Ich finde es nur absurd, dass eine halbe Stunde Parken in der Innenstadt genau so viel kostet wie am Stadtrand. Das hat keinen Lenkungseffekt auf die Pendler. Parken sollte günstiger werden, je weiter man aus der Stadt kommt.

Und was finden Sie falsch an der rot-grünen Wirtschaftspolitik?

Wenn Finanzstadträtin Renate Brauner behauptet, sie betreibt Deficit-Spending zugunsten des Arbeitsmarktes, dann ist sie epochal gescheitert, denn wir haben Rekordschulden und Rekordarbeitslosigkeit.

Das heißt, Sie setzen traditionellerweise auf Einsparungsmaßnahmen - wo können die stattfinden?

Na, dort, wo am meisten Geld rausgehaut wird: in der großen Verwaltung der Stadt.

Können Sie das konkretisieren?

Bei den Wiener Linien muss die Stadt jährlich 730 Millionen Euro zuschießen, Wiener Wohnen hat seit 2004 jährlich bis zu 100 Millionen Euro Schulden gemacht. Die Bediensteten der Stadt gehen mit 55 in Frühpension. Bei den Förderungen bräuchte es mehr Transparenz. Da steckt überall viel Geld drinnen.