)
Streitpunkt Steuerreform weiter ungelöst. | SPÖ-Arbeitsgruppe tagte im Parlament. | ÖVP nennt ihre Schwerpunkte. | Wien. Heute, Mittwoch, trifft sich die Regierungsspitze zu geheim gehaltener Stunde an einem geheim gehaltenen Ort, um nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation in der Koalition zu suchen. Ob Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer in dem Vier-Augen-Gespräch jedoch über ihren Schatten springen, war zumindest am Dienstag zweifelhaft, erneuerten doch SPÖ wie ÖVP ihre bisher unvereinbaren Positionen in der umstrittenen Steuerreformfrage.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Für die ÖVP hatten bereits am Vormittag Budgetsprecher Günther Stummvoll und Generalsekretär Hannes Missethon klargestellt, dass ein Vorziehen der Steuerreform nicht in Frage komme. Beide sehen darin lediglich ein Ablenkungsmanöver von schlechten Umfragewerten der Kanzler-Partei. Stummvoll: "Die ÖVP wird den Weg der Sachpolitik nicht deshalb verlassen, nur weil der SPÖ-Vorsitzende ein internes Problem hat."
ÖVP-Nein zu Negativsteuer
Inhaltlich nennt Stummvoll als Schwerpunkte aus ÖVP-Sicht die Entlastung von Mittelstand, Leistungsträgern sowie Familien. Eine Negativsteuer für untere Einkommensschichten, die bereits jetzt keine Steuer zahlen, lehnt er mit dem Hinweis "Steuerpolitik ist keine Sozialpolitik" ab. Man anerkenne zwar, dass es auch hier Handlungsbedarf gebe, doch das sei Aufgabe des Sozialministers: "Wer keine Steuern zahlt, kann per definitionem auch nicht durch eine Steuerreform entlastet werden."
Auf Seiten der SPÖ tagte am Nachmittag erstmals die Arbeitsgruppe zur Steuerreform in Anwesenheit des Kanzlers. Mit dabei sind Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina, Staatssekretär Christoph Matznetter, ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer, AK-Präsident Herbert Tumpel, Wifo-Konjunkturexperte Markus Marterbauer und die frühere oberste Finanzkontrollorin der EU-Kommission, Edith Kitzmantel. Ob der Termin 2009 eine Koalitionsfrage sei, ließ Gusenbauer vor der Sitzung unbeantwortet. Das Nein des Salzburgs Bürgermeisters zu einer Entlastung 2009 bezeichnete er als "Einzelmeinung".
SPÖ will ab April verhandeln
Am Nachmittag präsentierten dann Lacina und Marterbauer erste Details der SPÖ-Pläne: Anfang April werde man so weit sein, inhaltliche Verhandlungen mit der ÖVP aufzunehmen. Ein Vorziehen der Steuerreform bezeichneten beide als "absolut sinnvoll" aufgrund des drohenden Konjunktureinbruchs. Entlastet sollen vor allem kleinere und mittlere Einkommen bis 4000 Euro brutto monatlich werden. Das ÖVP-Nein zu einer Negativsteuer ist für Lacina unverständlich.
Angesichts dieser festgefahrenen Positionen kristalliert sich der Kampf gegen die Inflation als mögliches Kompromissfeld heraus. So hat etwa Molterer im "Kurier" einen neuen Vorschlag angekündigt. Derzeit besteht die SPÖ auf der Auszahlung von 100 Euro für 1,2 Millionen sozial bedürftige Haushalte, die ÖVP lehnt diesen "Gusi-100er" kategorisch ab - auch Lacina ist bei dieser Maßnahme skeptisch. Sehr wohl sei man jedoch bereit, über ein weiterreichendes Anti-Inflationspaket zu verhandeln, erklärte Stummvoll. Falls dies nicht gelingt, dürften Neuwahlen wahrscheinlicher werden - eventuell sogar noch vor der Euro 08.