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Ein trickreicher Kampf ums Etikett

Von Roman Urbaner

Wirtschaft

Den slowenischen Winzern fällt es nicht leicht, das Wort "Tokaj", wie von Brüssel verordnet, von ihren Weinetiketten zu verbannen. Schon 1993 hat die EU nämlich auf Drängen Ungarns die Bezeichnung ausschließlich für den berühmten Dessertwein reserviert, der aus dem 2002 zum Weltkulturerbe geadelten Tokaji-Gebiet nordöstlich von Budapest stammt.


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Anderen Tokajer-Produzenten wurde eine 13-jährige Toleranzfrist eingeräumt, um sich bis 2007 nach einem neuen Markennamen umzusehen. So haben die französischen Winzer ihren "Tokay d'Alsace" inzwischen erfolgreich in "Pinot Gris d'Alsace" umgewandelt. Doch nicht alle waren bereit, sich in ihr Schicksal zu fügen, und zumindest für die Slowakei hat sich das jahrelange Tauziehen bezahlt gemacht: Im Vorjahr willigte Ungarn ein, die Rebflächen einiger grenznaher slowakischer Gemeinden (565 Hektar) als Teil des Tokajer Anbaugebiets anzuerkennen, sofern die Region einem einheitliches Kontrollsystem unterworfen werde. Auch die italienischen und restlichen slowenischen Winzer denken nicht dran, klein beizugeben. Eine Klage der Region Friaul-Julisch-Venetien hievte die Causa kürzlich sogar vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg - und bekam im Dezember 2004 vom EU-Generalanwalt eine herbe Abfuhr. Dabei handelt es sich bei den "Tokajer" titulierten Weinen keineswegs um Varianten ein und derselben Rebsorte: Der ungarische "Tokaji" wird vornehmlich aus Furmint-Trauben, der französische "Tokay d'Alsace" aus Pinot Gris und der "Tocai" aus Italien bzw. der "Tokaj" aus Slowenien aus der Sorte Tocai friulano gekeltert, die auf Sauvignon-Reben zurückgeführt wird.

Suche nach Auswegen

Die slowenische Weindiplomatie hat es bei den Beitrittsverhandlungen aber offenbar verabsäumt, ihren "Furlanski Tokaj" gebührend zu verteidigen. Vielleicht war sie zu sehr damit beschäftigt, eine Ausnahmeregelung für den "Cvicek", eine in der Region Dolenjska geschätzte Mischsorte mit sehr niedrigem Alkoholgehalt, zu erkämpfen. Den Tokaj-Freunden bleibt deshalb nur noch der Griff zu typografischen Tricks: In der westslowenischen Region Primorsko (im Teilgebiet Brda soll die Traubensorte auf rund 200 Hektar 1,4 Millionen Liter abwerfen) versuchen Weinbauern, das EU-Verbot zu umgehen, indem künftig "Tocaj" statt "Tokaj" auf ihren Etiketten stehen wird; über dem c prangt dabei mit dem Zirkumflex (^) ein - im Slowenischen unübliches - Sonderzeichen. Laut Ale Kristancic, dem Direktor des Weinkonsortiums von Brda, solle so der Klang des bekannten Namens beibehalten werden. Denn der Schriftzug, der das Sonderzeichen über dem c im auslaufenden T verschwinden lässt, werde schon dafür sorgen, dass die Umbenennung nicht gleich ins Auge springt.