Trotz finanzieller Erleichterungen für Bezieher von Studienbeihilfe über 26 Jahre: Eine Inflationsanpassung ist laut Hochschülerschaft längst überfällig.
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Wien. Ab in die Vorlesungen heißt es nun wieder, denn am 1. Oktober beginnt das neue Studienjahr. Tausende Maturanten und Maturantinnen schnuppern zum ersten Mal Uni-Luft und so mancher träumt schon vom akademischen Titel. Studierende schließen hierzulande ihr Studium im Schnitt mit 27,5 Jahren ab, die einen früher, die anderen später. Aber es gibt auch Studenten, die den ersten Schritt in die Uni setzen, wenn andere schon das Diplom in der Tasche haben.
Ein Viertel aller Studenten, die in Österreich ihre Matura absolviert haben, beginnen ihr Studium erst nach mehr als zwei Jahren nach Schulabschluss. Studierende über 26 sind laut der neuesten Studierenden-Sozialerhebung von finanziellen Schwierigkeiten am stärksten betroffen. Zum einen haben sie meist höhere Lebenshaltungskosten, zum anderen fällt die Familienbeihilfe ab 25, spätestens ab 26 Jahren weg, die Mitversicherung ab 27.
Durch eine Novelle des Studienförderungsgesetzes sollen ältere Studierende sozial besser abgesichert werden. So erhalten Studienbeihilfebezieher ab 27 seit 1. September 2016 monatlich 30 Euro mehr. Davon profitieren rund 10.000 Studenten. Freiwilligendienste können für eine Verlängerung der Anspruchsdauer berücksichtigt werden. Außerdem muss die Studienbeihilfe bei mangelndem Studienerfolg nach dem zweiten Semester nicht zurückgezahlt werden, wenn nach dem vierten Semester ein günstiger Studienerfolg vorgewiesen wird.
Diejenigen, die noch bei ihren Eltern wohnen, erhalten künftig ebenso die "erhöhte Studienbeihilfe" (maximal 679 statt 475 Euro) wie ihre Kollegen mit "auswärtigem" Wohnsitz.
Stephanie Marx hält die Beihilfenhöhe trotz des Zuschlags von 30 Euro für zu niedrig. Die Germanistik- und Philosophiestudentin ist Bezieherin eines Selbsterhalter-Stipendiums von 709 Euro. "Gerechtfertigt wäre das Stipendium dann, wenn man davon ausgeht, dass alle Studierenden prinzipiell arbeiten sollten", sagt die 32-Jährige. Um über die Runden zu kommen, ist sie auf kontinuierliches Zuverdienen angewiesen und muss zusätzlich immer wieder Studenten-Jobs annehmen.
Marx wünscht sich zudem bei Wegfall der Mitversicherung eine kostenlose Krankenversicherung für Studierende. Iris Rauskala, Sektionschefin im Wissenschaftsministerium, sagt, man gehe zurzeit noch vom Studenten aus, der spätestens zwei Jahre nach der Matura ins Studium einsteigt. In Zukunft werde es eine Anpassung geben. Von Geldsorgen verschont sind jedoch auch jüngere Studierende nicht. 26 Prozent der Studenten haben sehr starke beziehungsweise starke finanzielle Schwierigkeiten. Ein Viertel ist armutsgefährdet.
"Das Geld reicht aus, wenn ich über einen Kauf doppelt nachdenke. Mit der Studienbeihilfe von 325 Euro kann ich nicht einmal die Heimmiete bezahlen", erzählt Bernard Stanciu, der in Wien Politikwissenschaft studiert. Der 23-Jährige bekommt von seinen Eltern keine finanzielle Unterstützung. In den Ferien arbeitet er Vollzeit in einem Schichtbetrieb, teilweise auch während der Studienzeit. Sein Monatsbudget variiert, im Durchschnitt gibt er 250 bis 300 Euro zusätzlich zur Miete aus: "Ich habe keine Ferien, und mir bleibt auch sonst nur wenig Freizeit."
Über zehn Stunden arbeiten verlangsamt das Studium
Damit ist Stanciu kein Einzelfall. 61 Prozent der Studierenden arbeiten neben dem Studium. Lucia Grabetz, Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) verweist auf Berechnungen des Instituts für Höhere Studien, die besagen, dass ein Job über 10 Wochenstunden zu einer erheblichen Verlangsamung des Studiums führt. "Gäbe es eine ausreichende staatliche Finanzierung, würden Studierende schneller ins Berufsleben einsteigen und ins System einzahlen. Langfristig würden Abgaben an den Bund zurückfließen", ist sich die ÖH-Sprecherin sicher. Sie hält die angestrebten zusätzlichen 25 Millionen Euro für die Studienförderung für einen Tropfen auf den heißen Stein.
Andreas Kastner, Referent bei der Arbeiterkammer, meint, die Finanzierung des Studiums durch die Studienbeihilfe "schmilzt dahin wie Schnee in der Sonne." Das Stipendienniveau, die Bezugsquote und meist auch das Budget würden sinken. Grund dafür sei eine fehlende Inflationsanpassung der Beihilfenhöhe sowie der Einkommensgrenzen der Eltern beziehungsweise der Lebenspartner. Die Auszahlungsbeträge seien seit 2007 nicht mehr angehoben worden, die Berechnungsgrenzen das letzte Mal 1999.
Lucia Grabetz sieht das auch so: "Das Höchststipendium müsste heute 812 Euro anstatt 606 Euro betragen." Rund 11 Prozent der Studierenden beziehen Studienbeihilfe, die durchschnittliche Höhe beträgt 307 Euro. "Möchte man volle soziale Gerechtigkeit, müsste man die Beihilfensysteme an die Inflation anpassen. Aber wir müssen uns im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten bewegen", meint Rauskala. Die Studienförderung sei grundsätzlich treffsicher.
Forderung nach billiger "Öffis"-Nutzung
Jusstudentin Maria W. kommt mit ihrer Studienbeihilfe von 405 Euro, der Familienbeihilfe und der Unterstützung durch die Eltern gut über die Runden. Die 20-Jährige geht Babysitten und verdient sich mit Ferienjobs etwas dazu. Sie hält das Studienbeihilfensystem für gut gelöst, meint aber: "Ich finde es unfair, dass man, sofern man nach drei Semestern das Studium wechselt, im nächsten Studium drei Semester lang keine Studienbeihilfe bekommt."
Bernhard Stanciu spricht sich statt für eine Erhöhung der Studienbeihilfe für eine Senkung der Kosten für Miete und öffentliche Verkehrsmittel aus.
Diesbezüglich fordert die ÖH eine Wiedereinführung der Studienheimförderung, eine Novelle des Studierendenheimgesetzes sowie ein einheitliches österreichweites Öffi-Ticket. Das Wissenschaftsministerium erarbeitet nun bis Ende 2016 eine Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung. Rauskala sagt: "Wir haben weitere Novellen auf dem Radar."
Anspruch auf Studienbeihilfe haben österreichische Staatsbürger sowie "gleichgestellte Ausländer und Staatenlose" während der Mindeststudienzeit des jeweiligen Studiums und einem weiteren Semester (Toleranzsemester). Voraussetzungen wie soziale Förderungswürdigkeit und ein günstiger Studienerfolg müssen erfüllt sein. Konventionsflüchtlinge benötigen den Nachweis der Flüchtlingseigenschaft.
Die Höchststudienbeihilfe beträgt für Studierende, die am Studienort und nicht bei den Eltern wohnen, deren Eltern verstorben sind oder die das Selbsterhalter-Stipendium erhalten, 606 Euro monatlich.
Das sogenannte Selbsterhalter-Stipendium bekommt man, wenn man sich vor dem erstmaligen Beihilfenbezug mindestens vier Jahre mit einem Einkommen von mindestens 7272 Euro jährlich selbst erhalten hat. Ansonsten beträgt die Höchststudienbeihilfe 424 Euro monatlich.
Vom Betrag des Höchststipendiums werden die zumutbare Eigenleistung, die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern (außer bei Selbsterhaltern) beziehungsweise des Lebenspartners sowie die Familienbeihilfe abgezogen. Zum Restbetrag kommen zwölf Prozent hinzu.