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Ein türkischer Kinohit schürt den Kampf der Kulturen

Von Alexander Bürgin

Politik

Mischung von Dokumentation und Fiktion rund um den Irak-Krieg. | Deutsche Politiker fordern Absetzung. | Wer die surreale Eskalation des Konflikts über die Mohamedkarikaturen besser verstehen möchte, sollte diesen Film sehen: Tal der Wölfe - Irak'. Er zeigt den hohen Stellenwert der Ehre in der muslimischen Welt, macht deutlich, welch verheerende Wirkung der Irakkrieg auf die Wahrnehmung des Westens hatte - und er schürt in seiner Einseitigkeit den Kampf der Kulturen.


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Der Film beginnt mit einer wahren Begebenheit. Am 4. Juli 2003 wuren in der nordirakischen Stadt Süleymaniye türkische Militärs von amerikanischenSoldaten verhaftet, die den Türken Säcke über das Gesicht stülpten und abführten sie ab. Bilder, die damals durch die türkischen Medien gingen: Die stolzen Soldaten, vom NATO-Partner beleidigt, gedemütigt und aus dem Irak geschmissen. Der einhellige Tenor: So arrogant können die Amerikaner nicht auf unserer nationalen Ehre herumtrampeln. Die Aktion der Amerikaner wird als Strafe dafür gewertet, dass das türkische Parlament drei Monate zuvor den Vereinigten Staaten die Benutzung türkischer Militärbasen zur Eröffnung einer zweiten Front gegen Saddam Hussein untersagte.

Sam und die türkische Ehre

Im Film steht der Vorfall prototypisch für das Vorgehen der USA in der Region. Der amerikanische Oberbefehlshaber heißt Sam, damit klar ist, dass er für ganz Amerika steht. Er höhnt: "Wir trampeln schon lange auf eurer Ehre herum". Der türkische Offizier kann die Schmach nicht ertragen und bringt sich um. Die Episode über den Rauswurf der türkischen Soldaten zeigt, welch immens hohen Stellenwert die Ehre bei Männern in der muslimischen Welt hat. Und wie ehrverletzend Muslime das Auftreten des Westens wahrnehmen.

Das Abführen mit Säcken über dem Kopf - ein weiteres Glied in einer langen Kette von Demütigungen und Beleidigungen, die den Hass auf den Westen gedeihen lassen. In diesem Zusammenhang ist auch die Provokation durch die Mohamedkarikaturen zu sehen.

Schockierend, wie der Film diesen Groll auf den Westen instrumentalisiert. In einer verzerrenden Darstellung des Irakkriegs werden alle Klischees des Kampfs der Kulturen bedient. Abu Ghraib, das Militärgefängnis der USA. Tatsächlich passierten Folterszenen werden nachgespielt. Dann vermischt sich das Dokumentarische mit der Fiktion: Ein jüdischer Arzt operiert im Stile des Nazi-Arztes Dr. Mengele den geschundenen Körpern die Nieren heraus.

Der amerikanische Oberbefehlshaber Sam ist ein Schlächter, der wahllos Leute erschießt und auf einer Hochzeit unbescholtener Bürger ein Blutbad anrichtet. Und er ist ein christlicher Eiferer. In einer stillen Stunde kniet er vor einer Jesusfigur am Kreuz und verspricht, dass er nicht ruhen werde, bis auf diesem Flecken Erde das Reich Christi errichtet sei. Die Botschaft des Films: Der Irakkrieg als amerikanischer Kreuzzug gegen den Islam.

Gefährlich wird der Film schließlich, wenn er die verzerrte Wahrnehmung des Irakkriegs und die verletzte Ehre der türkischen Soldaten vermischt zu einem Aufruf zum Kampf. Der türkische Held des Films, Geheimagent Polat Alemdar, reist in den Irak, um die Schande der türkischen Soldaten zu rächen und Sam, der die Aktion gegen den türkischen Militärposten leitete, umzubringen.

In der Türkei hat der Film ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Fans und Gegner schreien sich in Talkshows an, die Zeitungen berichten seit Wochen seitenweiße. Die Verteidiger des Films sagen: Die Amerikaner haben auch viele einseitige Filme gemacht über den Vietnamkrieg oder über den russischen Feind im Kalten Krieg, warum dürfen wir nicht auch einen einseitigen Film machen?

Anheizen religiöser und nationaler Gefühle

Es lässt sich mit einer Lehre aus dem Karikaturenstreit antworten: Nicht alles was erlaubt ist, ist in der derzeit aufgeheizten Stimmung zwischen Orient und Okzident auch klug. So sehen das auch Kritiker in der Türkei, die befürchten, dass der Film nationalistische und religiöse Gefühle anheizen werde. Die türkische Tageszeitung Hürriyet prophezeit: "Die Partei, die sich die Botschaft des Films zu eigen macht, wird die nächsten Parlamentswahlen klar gewinnen".

Mit scharfen Worten haben deutsche Politiker am Wochenende die Absetzung des Streifens gefordert. "Ich fordere die Kinobetreiber in Deutschland auf, diesen rassistischen und antiwestlichen Hass-Film sofort abzusetzen", sagte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Diesem Appell schloss sich auch der Innenminister Baden-Württembergs, Heribert Rech (CDU), an. "Der Film schürt antisemitische und antiamerikanische Ressentiments, spaltet Kulturen und radikalisiert vor allen Dingen türkische Jugendliche", sagte der Minister.

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland appellierte an alle Kinobesitzer, den Film sofort abzusetzen. Wer den Film zeige, unterstütze den Hass auf jüdische Menschen, wird ZentralratsVizepräsidentin Charlotte Knobloch in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zitiert.