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Ein Überlebenskünstler unter Druck

Von Ronald Schönhuber

Politik

Drei Finanzminister in einer Woche: Selbst innerhalb des ANC wird Präsident Zuma infrage gestellt.


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Pretoria. Die Ehrfurcht vor der ihm zugewiesenen Aufgabe war David van Rooyen durchaus anzumerken. Er stehe vor einer kolossalen Herausforderung, sagte der bis dahin fast gänzlich unbekannte ANC-Hinterbänkler, als er am vergangenen Donnerstag als neuer südafrikanischer Finanzminister angelobt wurde. Die Last des Amtes musste der unerfahrene Überraschungskandidat allerdings nur kurz tragen, nach knapp 100 Stunden wurde van Rooyen am Sonntag von Präsident Jacob Zuma wieder abberufen. Bereits wenige Stunden später hatte das wirtschaftlich fortgeschrittenste Land Afrikas mit Pravin Gordhan den dritten Finanzminister binnen fünf Tagen. Und der Präsident muss sich seitdem die Frage gefallen lassen, ob er überhaupt noch Herr der Dinge ist.

Tatsächlich erscheint der 73-Jährige derzeit eher als Getriebener denn als starker und selbstbestimmter Führer. Denn die Abberufung van Rooyens erfolgte nicht nur unter medialem Dauerfeuer, sondern auch unter massivem Druck der Märkte. Diese hatten nach der ersten Minister-Rochade, als der international respektierte Nhlanhla Nene Platz für van Rooyen machen musste, mit massiven Verlusten reagiert. Der Kurs der Landeswährung Rand brach innerhalb von zwei Tagen um knapp acht Prozent ein, die wichtigsten südafrikanischen Aktienindizes schlossen vor dem Wochenende ebenfalls tief im Minus.

Aus Sicht der Märkte war Nene vor allem ein Garanat dafür gewesen, dass Südafrika seinen bisher strikten fiskalpolitischen Kurs weiterführt. Auch trotz des offensichtlichen Missfallens Zumas hatte Nene in der Regierung auf Haushaltsdisziplin gepocht und sich dabei unter anderem kritisch gegenüber der Anschaffung mehrerer russischer Kernkraftwerke geäußert. Den milliardenschweren Deal hatte Zuma persönlich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin angebahnt, obwohl Experten das Projekt für ökonomisch untragbar halten. Ebenso hatte sich Nene gegen die kostspielige Unterstützung der strauchelnden staatlichen Fluggesellschaft South African Airways (SAA) quergelegt und damit die Zuma-Vertraute und SAA-Aufsichtratvorsitzende Dudu Myeni nachhaltig verärgert.

"Das Blatt wendet sich"

Dass mit Pravin Gordhan nun wieder ein Mann Finanzminister ist, der für eine berechenbare und solide Politik steht, dürfte Zuma aber nur bedingt eine Atempause verschaffen. Denn angesichts des Ministerroulettes sind auch innerhalb des ANC gewichtige Stimmen laut geworden, die die Führungsqualitäten des Präsidenten infrage stellen. "Zuma muss sehr ernsthaft über seine Positionen nachdenken", sagt etwa der langjährige Abgeordnete und Anti-Apartheids-Aktivist Ben Turok. "Das hier mag vielleicht nicht der Todesstoß sein, aber in jedem Fall hat sich das Blatt für Zuma gewendet."

Dass im ANC, der normalerweise über einen sehr stark ausgeprägten Korpsgeist verfügt, mehr oder weniger öffentlich am Stuhl der Präsidenten gesägt wird, hat vor allem mit den Lokalwahlen im nächsten Jahr zu tun. Denn die oppositionelle Demokratische Allianz, die mittlerweile ebenfalls einen schwarzen Vorsitzenden hat, findet vor allem in den Städten immer mehr Anhänger und am linken Rand beginnen die Economic Freedom Fighters dem ANC spürbar das Wasser abzugraben. Wie groß der Unmut im Land mittlerweile ist, lässt sich dabei nicht nur an den Wahlprognosen ablesen. Auch in den südafrikanischen Social-Media-Kanälen tauchte der Hashtag #ZumaMustFall - zu Deutsch: Zuma muss gehen - in den vergangenen Monaten immer häufiger auf.

Die aktuelle Minister-Affäre ist dabei aber nur eines von vielen Steinchen im Mosaik der Wählerabwanderung. Schon seit Jahren steht Zuma immer wieder wegen seines teils ausschweifenden Lebensstils in der Kritik. Besonders eingeschossen hatte sich die Opposition dabei auf Nklanda, Zumas Anwesen in der wildromantischen Provinz Kwazulu-Natal, für dessen Ausbau 25 Millionen Dollar an Steuergeld verwendet wurden. Neben einem Amphitheater und vielen anderen Dingen, die das Leben schöner machen, verfügt Nklanda auch über einen großzügigen Pool, der in den Plänen allerdings als sicherheitsrelevanter Löschteich getarnt wurde.

Dass Nklanda die Medien in Südafrika über Monate hinweg beschäftigt hat, hängt auch damit zusammen, dass es in starkem Kontrast zur restlichen Entwicklung des Landes steht. In der nach Nigeria zweitgrößten Volkswirtschaft des Kontinents liegt die Arbeitslosenrate bei 25 Prozent und die immer noch stark von der Rohstoffförderung abhängige Wirtschaft wächst kaum noch. Wegen rasant steigender Kosten des Schuldendienstes wurden zuletzt sogar schon Befürchtungen laut, das Land könnte bald Hilfe vom Internationalen Währungsfonds brauchen.

Märkte ziehen wieder an

Dass die Partei Nelson Mandelas, die seit dem Ende der Apartheid mit absoluter Mehrheit regiert, durchaus bereit ist, ihren Vorsitzenden zu opfern, hat sich bereits im Jahr 2008 gezeigt. Damals wurde Präsident Thabo Mbeki noch vor dem Ende seiner Amtszeit von den ANC-Gremien zum Rücktritt genötigt. Doch Zuma gilt als politischer Überlebenskünstler und wird gemeinhin als wendiger als sein Vorgänger angesehen. Und zumindest die Märkte dürften dem Präsidenten schon verziehen haben. Auch am Tag zwei nach Gordhans Ernennung zogen die Kurse wieder an.