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Ein überzeugter Europäer

Von Hanns-Jochen Kaffsack

Politik

Paris - Gut fünf Jahre ist es her, dass der "Architekt Europas" den Vorsitz der EU-Kommission in Brüssel abgab. Doch der überzeugte Europäer Jacques Delors mischt weiter mit. Unlängst erst schaltete er sich in die Debatte ein, die Deutschlands Außenminister Joschka Fischer zur Zukunft Europas losgetreten hat. "Es wird eine Union geben für das große Europa und eine Föderation (von Nationalstaaten) für die Avantgarde", sagte Delors energisch. Der Mann, für den Europa eine Berufung war und immer noch ist, wird heute 75 Jahre alt.


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Mit dem Namen des sozialistischen Politikers verbindet sich der Weg der Europäischen Gemeinschaft zur Union. Seinen Weg nach Europa hat ihm 1984 der damalige französische Staatspräsident Francois Mitterrand geebnet, dessen Nachfolger im Elysee-Palast Jacques Delors 1995 trotz guter Chancen dann doch nicht werden wollte.

Zehn Jahre lang bis Jänner 1995 in Brüssel im Amt, drückte er mit kämpferischem Elan die Sanierung der europäischen Finanzen, den Binnenmarkt und seinen Plan für die Währungsunion durch. "Zar von Brüssel" wurde er genannt.

Bevor er sich von Paris nach Brüssel verabschiedete, war Delors nach dem Wahlsieg der Linken 1981 Wirtschafts- und Finanzminister sowie "Superminister" mit gleichzeitiger Verantwortung für das Budget in der Regierung von Premierminister Pierre Mauroy gewesen. Er stand für den wenig populären Sparkurs, der auch einen Abschied von betont linker Politik bedeutete.

Der Sohn eines Pariser Angestellten der Zentralbank hat selbst bei der Banque de France seine Karriere begonnen. Der am 20. Juli 1925 in Paris geborene Jacques Delors war zuerst journalistisch tätig. Er engagierte sich in der christlichen Arbeiterbewegung und bekleidete dann wichtige Posten in der Banque de France, 1973 wurde er Mitglied des Generalrates der Notenbank. Als Mitarbeiter des gaullistischen Premierministers Jacques Chaban-Delmas Anfang der Siebziger Jahre hatte er dessen neue Sozialpolitik entscheidend mitgestaltet, die jedoch von Staatspräsident Georges Pompidou abgelehnt wurde.

Zwischen 1973 und 1979 lehrte Delors an der Wirtschaftsuniversität Paris-Dauphine. 1973 schloss er sich der von Mitterrand neu gegründeten Sozialistischen Partei Frankreichs an und bekleidete mehrere wichtige Posten innerhalb der Partei. In das Europaparlament war Delors im Juni 1979 gewählt worden, von September 1979 bis Mai 1981 war er Vorsitzender der Wirtschafts- und Währungskommission des Europaparlaments.

Seiner einzigen Tochter Martine Aubry hat Delors das politische Engagement vererbt, das ihn auch immer noch antreibt. Sie ist als Ministerin für Arbeit und Solidarität eine Hauptstütze der Regierung von Premierminister Lionel Jospin. Unterdessen setzt Delors seinen Kreuzzug für Europa fort und fordert eine Zielbestimmung des europäischen Einigungsprozesses, sowie mehr Aufmerksamkeit für die deutsch-französischen Beziehungen.

Zurück aus Brüssel rief er in Paris eine Stiftung für Europa ins Leben, um immer in die Debatte eingreifen zu können. Seit 1999 ist er Sonderberater des Generalsekretariats der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris.