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Ein unangenehmer Volksentscheid

Von Martyna Czarnowska

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Die geplante Abstimmung im Nordkosovo zu den kosovarischen Behörden sorgt für Unmut - sowohl in Pristina als auch in Belgrad.


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Es könnte auch so aussehen: Ein Auto kommt an die Grenze, der Fahrer zeigt seinen Ausweis her, den ein Zöllner auf der einen Seite kontrolliert und ein anderer auf der gegenüberliegenden. Vielleicht wird dann noch kurz in den Kofferraum geschaut, danach geht die Reise weiter. Und die Soldaten der internationalen Schutztruppe haben nicht viel mehr zu tun, als das Ganze zu beobachten und sich auf ihren Abzug vorzubereiten.

Doch da sich die Sache an der Grenze des Nordkosovo zu Serbien abspielt, stellt sich das alles nicht so einfach dar. Denn auf der einen Seite akzeptieren die dort lebenden Serben die Präsenz der kosovarischen Zöllner nicht und blockieren die Übergänge. Auf der anderen Seite ließen die Serben bis vor kurzem die Ausweise der Republik Kosovo, die sie niemals anerkannt hatten, nicht gelten. Und die Soldaten der Nato-geführten KFOR-Mission sind immer wieder in Scharmützel verwickelt. Ein rasches Ende ihres Einsatzes ist nicht in Sicht; erst vor wenigen Tagen hat etwa der Befehlshaber des US-Kontingents einen Verbleib bis Mitte des kommenden Jahres angekündigt.

Mittlerweile ist zwar die Bewegungsfreiheit größer geworden, doch ihre Kosten sind hoch. Kosovo-Albaner, die Serbien passieren, das beispielsweise auf dem kürzesten Weg nach Westeuropa liegt, müssen eine Versicherungsgebühr von hundert Euro für einen Monat ablegen. Von den Serben, die in den Kosovo einreisen, werden umgekehrt 60 Euro kassiert; diese Autoversicherung gilt aber nur für zwei Wochen. Einmütig wie selten klagen die beiden Volksgruppen über derart hohe Ausgaben.

Alles andere als eine Annäherung der beiden Nachbarn wird auch der jüngste Plan der Serben im Nordkosovo bringen. Vier Gemeinden haben nämlich beschlossen, eine Volksabstimmung über die "albanischen Behörden" zu veranstalten. Mitte Februar sollen die im Norden lebenden Bürger darüber befinden, ob sie die Institutionen "der sogenannten Republik Kosovo mit Sitz in Pristina" akzeptieren. Diese Frage kann schon jetzt mit einem Nein beantwortet werden, was die Blockadeaktionen an der Grenze beweisen.

Das Vorhaben bezeichnet nicht nur Pristina als illegal. Auch in Belgrad ruft das geplante Referendum Unbehagen hervor. Der voraussichtlich negative Entscheid werde die Lage nur noch schwieriger machen, erklärte etwa der serbische Verhandlungsführer bei den Gesprächen mit dem Kosovo, Borislav Stefanovic. Denn für Serbien steht auch die Annäherung an die Europäische Union auf dem Spiel: Um den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu erhalten, muss Belgrad die Beziehungen zu Pristina normalisieren. Die Volksabstimmung findet just kurz vor einem EU-Gipfel statt, der sich auch mit dem angestrebten Status befassen soll. Und deren Ergebnis könnte die Wünsche der Serben torpedieren.

In der Zwischenzeit begibt sich der serbische Präsident Boris Tadic in den Kosovo, um die orthodoxen Weihnachtsfeiertage an diesem Wochenende im Kloster Decani zu verbringen. Wie alle Politiker Serbiens brauchte er für die Einreise eine Zustimmung aus Pristina.