Anwalt: "Unter Folter erzwungen". | Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer "Farce". | Paris/Teheran. Eine zittrige Stimme, ein starrer Gesichtsausdruck und ein nicht zu überhörender Azeri-Dialekt: Die Bilder von Sakine Mohammadi Ashtiani gingen am Donnerstag um die Welt. Seit das iranische TV eine öffentliche Beichte der von Steinigung bedrohten Perserin ausgestrahlt hat, macht sich vor allem ihr Anwalt Houtan Kian Sorgen um die 43-Jährige. Denn er will nicht so ganz glauben, dass die Angeklagte den Ehebruch und eine Verwicklung in die Ermordung ihres Mannes ganz freiwillig gestanden haben soll, und vermutet daher, sie sei "durch Folter und Schläge zu dem künstlichen Auftritt" gezwungen worden. Auch ein Verhältnis zu ihrem Cousin gab Ashtiani zu.
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Mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International, sprachen von einer "Farce des iranischen Justizsystems" und verurteilten den Auftritt der zweifachen Mutter in der Sendung "20:30". Die beiden 22- und 17-jährigen Kinder der Angeklagten seien seit dem Interview traumatisiert und befänden sich bei Familie und Ärzten in Betreuung, berichtete der Verteidiger ausländischen Journalisten. Schon seit 2006 zog der Fall große Kreise. Damals wurde die Perserin von einem iranischen Strafgericht zum Tod durch Steinigung verurteilt - wegen angeblichen Ehebruchs und zusätzlich wegen Mordes an ihrem Ehemann.
In dem "Interview" erläuterte Ashtiani nun die Hintergründe und meinte, sie habe die Ankündigung ihres Cousins, ihren Mann zu ermorden, zunächst für einen Witz gehalten. "Er trat in mein Leben, umgarnte mich mit seinen Worten und sagte: Ich bringe ihn für dich um, er ist so ein schlechter Mann. Ich kümmere mich um dich", sagte sie. Später habe sie gesehen, dass ihr Cousin elektronisches Zubehör gekauft habe - und die Tat mit diesem mittels Stromschlag vollzogen habe.
Eine Chefsache
Nach heftiger Kritik aus dem Westen an dem Todesurteil wurde der Fall zur Chefsache erklärt. Der Chef der iranischen Justizbehörde, Sadegh Larijani, der Bruder des Parlamentspräsidenten Ali Larijani, setzte die Steinigung Mitte Juli aus, um noch weitere "Erkenntnisse einzuholen". Dessen ungeachtet wurde gegen ihren damaligen Anwalt Mohammad Mostafai Ende Juli Haftbefehl erlassen. Er ist inzwischen über die Türkei nach Oslo geflohen. Houtan Kian befürchtet nun, dass Irans Justiz nun eine schnelle Vollstreckung des Todesurteils anstrebt.