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Ein ungeliebtes Szenario für die EU-Wahl

Von Martyna Czarnowska

Politik

Sollte der Brexit verschoben werden, könnte das Folgen für die Sitzverteilung im EU-Parlament haben.


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Brüssel/Straßburg/London. 71 Tage noch. So lange ist Großbritannien noch Mitglied der Europäischen Union. Oder vielleicht doch länger? Ist das Austrittsdatum 29. März doch nicht so unverrückbar, wie es lange schien und worauf die britische Premierministerin Theresa May in regelmäßigen Abständen beharrte? Wird der Brexit also verschoben?

Das ist die Frage, die spätestens seit der Ablehnung des Trennungsvertrags im britischen Unterhaus Anfang der Woche im Raum steht. In Brüssel in der EU-Kommission, im Regierungsgebäude so mancher EU-Hauptstadt, aber auch in Westminster. Denn je größer die Gefahr eines ungeordneten Brexit wird, umso verzweifelter wird nach Möglichkeiten gesucht, ein chaotisches Ausscheiden der Insel zu vermeiden. Neben einem weiteren Referendum oder einer Neuwahl im Königreich würde sich eben eine Verlängerung der Frist anbieten, die die Verhandlungen über das Austrittsabkommen begrenzt. Die Vereinbarung selbst, mit der May im Unterhaus zunächst einmal gescheitert ist, will die EU zwar nicht grundlegend ändern. "Präzisierungen" seien aber vorstellbar.

Dafür könnte jedoch mehr Zeit notwendig sein als die zehn Wochen, die bis Ende März bleiben. Eine Verschiebung des Brexit müsste Großbritannien beantragen - und das habe London noch nicht gemacht, hieß es aus der EU-Kommission. Dem Ansuchen müssten dann alle verbleibenden 27 EU-Mitglieder zustimmen. Und auch das EU-Parlament muss sich - mit einfacher Mehrheit - dafür aussprechen.

Zahl der Mandate soll sinken

In allen drei EU-Institutionen wird allerdings betont, dass ein Aufschub gut begründet sein müsste. Die Briten müssten Klarheit über ihre Vorstellungen schaffen und konkrete Ideen präsentieren, war aus Wien, Paris und Brüssel zu hören.

Eine Fristverlängerung könnte außerdem zusätzliche Schwierigkeiten bedeuten. Von 23. bis 26. Mai findet nämlich die Europawahl statt, und dass die Briten sich daran beteiligen, ist bisher nicht vorgesehen. Bei der Sitzverteilung im künftigen Abgeordnetenhaus wurde der EU-Austritt Großbritanniens bereits berücksichtigt: Die Zahl der Mandate soll von 751 auf 705 sinken. Einige Länder können trotzdem künftig mehr Vertreter nach Brüssel und Straßburg entsenden: Aus Österreich beispielsweise werden 19 statt 18 Abgeordnete kommen.

Stichtag 2. Juli

An diesem Szenario ändert sich nichts, selbst wenn der Brexit verschoben wird - vorausgesetzt, das Austrittsdatum ist vor dem 2. Juli. Da kommt das EU-Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, und die derzeitige Legislaturperiode sowie die Tätigkeit der britischen Mandatare sind beendet.

Wird der Tag der Trennung aber später angesetzt, müsste ebenfalls das Königreich an der EU-Wahl teilnehmen und sie daher auch mit ausrichten. Das Abgeordnetenhaus wird in dem Fall nicht verkleinert. Erst mit dem Brexit wird die neue Sitzverteilung wirksam.

Dass Großbritannien sich an dem Votum beteiligt, ist allerdings eine ungeliebte Option. Das machte unter anderem der Fraktionsvorsitzende der Liberalen und Brexit-Verhandler der EU-Volksvertretung, Guy Verhofstadt, deutlich. Würden die Briten ebenfalls Ende Mai zu den Urnen gehen, würde "die chaotische Situation, die es derzeit im britischen Parlament gibt, ins Europaparlament und in die europäische Politik importiert", erklärte der Belgier dem Sender RTBF: "Und das wollen wir nicht."