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Ein ungewisser Deal mit Nordkorea

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Ist Optimismus angesichts der ersten Annäherung zwischen Trump und Kim angebracht?


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Alles hat mit "Sportdiplomatie" begonnen. Als zwei Athletinnen aus Nordkorea und Südkorea im Februar 2018 im südkoreanischen Pyeongchang das Olympische Feuer gemeinsam entzündeten, war der erste Schritt einer Annäherung zwischen den seit Jahrzehnten verfeindeten Staaten getan. Hatte US-Präsident Donald Trump dem nordkoreanischen "Raketenmann" Kim Jong-un zuvor gedroht, so ist nun für 12. Juni 2018 ein Treffen der beiden Regierungschefs auf neutralem Boden in Singapur geplant. Es handelt sich um ein höchst vielversprechendes, aber auch um ein brisantes Ereignis, das aktuellen Berichten zufolge vielleicht gar nicht stattfinden wird. Einer Versöhnung wirken nämlich internationale Interessen im Pazifik entgegen.

Viele Asien-Experten sind sich darüber einig: Die Regierung in Peking - und nicht jene in Washington - hat Nordkoreas Machthaber zum Umdenken bewogen. Für beide Parteien steht einiges auf dem Spiel. Das international völlig isolierte Nordkorea scheint mehr denn je auf Rohstoffimporte aus China angewiesen zu sein. Doch auch die chinesische Führung forciert die Umsetzung einer neuen Seidenstraße ("Ein Gürtel, eine Straße"), für die die koreanische Halbinsel eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Das Projekt sieht unter anderem einen "Silk Road Express", also eine Eisenbahnverbindung durch Nord- und Südkorea, vor. Dadurch würde sich für China ein neuer Wirtschafts- und Wachstumsmarkt erschließen.

Wird eine solche Entwicklung von Seiten Washingtons geduldet? Derzeit reagiert Kim empört auf Militärübungen, die von der südkoreanischen und US-Luftwaffe abgehalten werden und einen Einmarsch in den Norden simulieren. Die USA werden also ihre militärische Präsenz im Pazifik nicht aufgeben und ihre strategischen Partner vor den Kopf stoßen, um China freie Bahn zu lassen.

Die nordkoreanische Führung wird sich die - objektiv betrachtet legitime - Frage stellen: Wie verlässlich ist die Trump-Administration überhaupt, bedenkt man das gescheiterte Atomabkommen mit dem Iran? "Nur ein Idiot würde den USA in der Frage eines Atomdeals in einem Schurkenstaat noch sein Vertrauen schenken", kommentiert Robert E. Kelly, Professor für Politikwissenschaft an der südkoreanischen Pusan National University, die aktuelle Eskalation zwischen dem Weißen Haus und den Mullahs.

Skepsis von westlicher Seite ist jedoch ebenso berechtigt. Denn wer garantiert, dass Kims unerwartete Charmeoffensive ehrlich ist und Nordkoreas Machthaber tatsächlich an der Stilllegung seines Atomwaffenprogrammes festhalten wird? Wäre sie ernst gemeint, so müsste demnächst wohl die Verfassung erneut geändert werden. Nach wie vor gilt nämlich in Nordkorea die "Songun"-Politik ("Militär zuerst"), die mit der Verfassungsänderung im Jahr 2009 zur obersten Maxime erklärt wurde. Nordkorea definiert seine Souveränität weiterhin durch Waffen und Militär.

Optimismus zwecks einer ersten Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ist also durchaus angebracht. Irreführen und über Risiken hinwegtäuschen sollte er dennoch nicht.