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Ein "unmoralisches" Angebot

Von Jan Richard

Politik

Ob im Krieg auf Sri Lanka, wo tschechische Panzerwagen zum Einsatz kommen, ob in Zimbabwe, wo die demokratische Opposition gegen Diktator Robert Mugabe mit tschechischen Gewehren in Schach gehalten oder ermordet wurde, ob im Jemen, wo Raketenwerfer und Panzerfäuste tschechischer Provenienz vermutlich den Weg zu den Terroristen von Al Kaida fanden, ob im algerischen Bürgerkrieg: Die tschechischen Waffenexporte erfolgen in Krisengebiete der Dritten Welt.


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In der kommunistischen Ära war die damalige Tschechoslowakei unter den führenden Waffenexporteuren der Welt. Nach der "samtenen Revolution" im Jahr 1989 und der Teilung des Staates ist der Marktanteil zwar zurückgegangen, die Waffenindustrie bleibt aber ein wichtiger und in den letzten Jahren wieder wachsender Wirtschaftszweig.

Die Zahl der Anträge auf Exportbewilligung für Waffen ist letztes Jahr um fast 40 Prozent gestiegen. Weder die Regierung noch die Waffenindustrie können das plötzliche Interesse erklären, verweisen aber auf den Überschuss an militärischem Gerät aus der Sowjetzeit, den die tschechische Armee versucht loszuwerden. Die Waffenindustrie des Landes setzt ungefähr 87 Millionen Dollar im Jahr um und konzentriert sich vor allem auf Panzer, Raketenwerfer und Maschinengewehre.

Die Hauptabnehmer tschechischer Waffen sind oft Krisengebiete, in denen die exportierten Waffen gebraucht werden. Insofern machen die tschechischen Waffenschmieden also ein "unmoralisches Angebot", wie es regierungskritische Zeitungen im Nachbarland formulieren.

Amtlich wird diesem Argument entgegen gehalten, dass doch auch viele andere europäische Staaten Waffen an die Krisengebiete der Welt verkaufen. Der Grund, warum gerade Tschechien ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, ist die fehlende Transparenz der Waffengeschäfte. amnesty international hat im Oktober letzten Jahres und jetzt wieder (im Bezug auf die Flugzeuglieferungen nach Algerien) einen kritischen Bericht über die mangelnde Offenlegung der Waffenexportpolitik der tschechischen Regierung präsentiert. amnesty hat seine Daten über tschechische Waffenverkäufe aus verschiedenen Quellen, so zum Beispiel von der UNO, Zolldokumenten und auch aus Analysen anderer Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

EU fordert Prag auf, den Verhaltenskodex einzuhalten

Der konservative tschechische Präsident Vaclav Klaus hat die Anschuldigungen von Amnesty zurückgewiesen. Dies dürfte nicht nur darauf zurückzuführen sein, dass Klaus generell NGOs wenig schätzt. Vermutlich weiß er selbst nicht so genau, wohin die Exporte gehen. Tschechien berichtet nämlich nur unzureichend über seine Waffenverkäufe und es mangelt an einem System, das es den Bürgern und Parlamentariern erlauben würde, die Geschäfte zu evaluieren.

Die Europäische Kommission hat Tschechien bereits aufgefordert, den Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenexporte einzuhalten. Dieser erfordert eine Meldung von Waffenexporten an die anderen Mitgliedstaaten. Der Kodex besteht außerdem aus acht Kriterien, welche die Regierungen berücksichtigen sollen, wenn sie über beantragte Waffenexporte entscheiden. Dazu gehören zum Beispiel die Frage, ob im Empfängerland ein interner Konflikt herrscht, bei dem die Waffen missbraucht werden könnten, die Einhaltung der Menschenrechte und die Wahrscheinlichkeit, dass Waffen an Konfliktzonen weiterverkauft werden. Man erwartet, dass die zehn neuen EU-Mitglieder, also auch Tschechien, den Kodex spätestens nach ihrem Beitritt im Mai ebenfalls befolgen werden.

Auch amnesty international erkennt an, dass der EU-Verhaltenskodex, der 1998 ratifiziert wurde, Druck auf die Regierungen ausübt, sich sorgfältiger auszusuchen, wohin sie Exporte zulassen. Die Einhaltung des Kodex wächst ständig durch den "Gruppendruck" in der EU.

Das alte Argument europäischer Länder - "Wenn wir nicht verkaufen, macht es wer anderer." - wurde durch den Kodex weitgehend entkräftet. Europas größte Waffenexporteure, Großbritannien und Frankreich, liefern zwar auch noch an "fragwürdige" Länder, aber im Gegensatz zu Tschechien berichten sie darüber, so dass die Öffentlichkeit darauf reagieren kann. 13 der 15 EU-Mitgliedsländer veröffentlichen Berichte über ihre Waffenexporte. Die britische Regierung zum Beispiel verweigerte 32 Lizenzen mit der Begründung, dass die Waffen zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden könnten, und 76 Lizenzen, weil die Waffen interne Konflikte verschärfen hätten können.

Fragwürdige Begründungen und mangelnde Transparenz

Zum Vergleich: Als tschechische Firmen Waffen in den Jemen exportierten, verteidigte die Regierung ihre Genehmigung des Geschäftes damit, dass das Land ja keinem UN-Embargo unterliege. Der tschechische Standard ist hier offensichtlich unter jenem der EU.

Exportlizenzen werden vom Industrie- und Handelsministerium nach Beratung mit dem Außenministerium erteilt. Aber im Gegensatz zu EU-Ländern legt keines der beiden Ministerien offen, für welche Länder Lizenzen genehmigt werden und welche Länder inakzeptabel sind. Im Jahr 2002 haben die tschechischen Behörden 21 Anträge auf Exportbewilligung abgelehnt, 1090 Bewilligungen wurden erteilt. Eine genaue Aufstellung der Zielländer will das Ministerium nicht bekannt geben.

Der stellvertretende Außenminister Jan Winkler kündigte an, dass das Ministerium Schritte unternehmen wird, um die Offenlegung zu erweitern. Es wurde bereits eine Informationskampagne über den Verhaltenskodex in den betroffenen Ministerien gestartet. In Zukunft sollen jährliche Berichte erstellt werden, die den Wert der Waffenexporte sowie bewilligte und abgelehnte Zielländer aufführen.

Der Dachverband der 140 Waffenexporteure würde größere Transparenz ebenfalls befürworten. Gleichzeitig finden die Mitglieder des Verbandes nichts dabei, Waffen an Länder wie Jemen oder Algerien zu verkaufen, in denen es innere Unruhen gibt oder denen Verbindungen zum Terrorismus nachgesagt werden. Man sei nicht der einzige, der in diese Länder exportiere, heißt es, selbst Westeuropa verhalte sich nicht anders. Die Waffenexporteure verweisen auch darauf, dass die Regierungen der Zielländer erklären müssen, dass sie die "Endverbraucher" der Waffen sind und diese nicht weiterverkaufen. Kritiker halten dem entgegen, dass man dies nicht wirklich kontrollieren könne.

Ein Sprecher des Industrie- und Handelsministeriums erklärte, die Behörde sehe nichts Falsches oder Besorgniserregendes darin, militärisches Material an legitime Regierungen zu exportieren, nachdem alle relevanten Faktoren berücksichtigt wurden. Das Industrie- und Handelsministeriums berücksichtigt laut dem Sprecher den EU-Kodex bereits, wenn es Exportlizenzen erteilt. Er schränkte jedoch ein, dass der Kodex nur eine Richtlinie und nicht verpflichtend sei.

"Legale Exporte nur von privaten Firmen"

Man kann die mangelnde Begeisterung der tschechischen Behörden über eine Veröffentlichung der Waffenexporte verstehen, wenn man sich ansieht, wohin die Lieferungen in den vergangenen Jahren laut amnesty international gegangen sind (siehe auch Kasten). Zielländer für tschechische Waffenexporte waren unter anderem Algerien, Angola, Jemen, Kolumbien, Sri Lanka und Zimbabwe. Alle diese Transaktionen waren legale Exporte privater Firmen, die mit einer Lizenz des Industrie- und Handelsministeriums durchgeführt wurden.

Besondere Aufregung haben die Exporte nach Algerien und Jemen verursacht. Internationale Menschenrechtsorganisationen haben Tschechien dafür kritisiert, dass die Firma Pamco letztes Jahr zehn leichte Kampfflugzeuge vom Typ L-39 für kolportierte 435 Millionen Kronen nach Algerien verkauft hat. Die tschechische Regierung verteidigt sich damit, dass auch andere EU-Staaten wie Österreich, Deutschland und Frankreich Waffen nach Algerien exportieren und Algerien in keinen regionalen Konflikt verwickelt ist. Menschenrechtsorganisationen verweisen auf den Bürgerkrieg in Algerien, der im letzten Jahrzehnt mehr als 150.000 Tote gefordert hat und die aktuelle politische Krise im Land.

Indirekte Versorgung von Al-Kaida-Kämpfern?

Die Waffenlieferungen an den Jemen haben ebenfalls für großes Aufsehen gesorgt, gilt das Land doch als Stützpunkt von Al-Kaida Terroristen. Außerdem verkauft der Jemen Waffen an andere instabile Länder wie Somalia und den Sudan weiter. Im November letzten Jahres verteidigte ein Regierungssprecher die steigenden Waffenverkäufe an den Jemen und spielte Sorgen herunter, dass diese Waffen für terroristische Aktivitäten missbraucht werden könnten. Die Regierung reagierte damit auf Medienberichte, dass der Jemen bereits der fünftgrößte Abnehmer tschechischer Waffen geworden ist, nach den Vereinigten Staaten, Deutschland, Schweden und der benachbarten Slowakei. Die Zeitung "Lidove Noviny" berichtete, dass die tschechischen Waffenexporte in den Jemen in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres bereits 133 Millionen Kronen ausmachten.

Drei Kilo Semtex von Tschechen abgefangen

Ein - allerdings auch nach tschechischem Recht illegaler - "Waffenexport" betraf vor kurzem auch Österreich. Am 5. November letzten Jahres hat die tschechische Grenzpolizei drei Männer verhaftet, die versuchten, Semtex über die tschechische Grenze nach Österreich zu schmuggeln. Semtex, ein tschechischer Sprengstoff, wurde schon bei vielen Terroranschlägen verwendet. Einer der Verdächtigen hatte fast drei Kilo des explosiven Materials bei sich - genug um ein Dutzend Flugzeuge zu sprengen.

Wohin Tschechiens Waffen gehen

amnesty international und andere Organationen (z. B. Human Rights Watch) kritisieren Tschechien für Waffenexporte an folgende Länder:

Algerien: 1996-2002, 24 L39 Flugzeuge und 151 gepanzerte Fahrzeuge

Angola: 1993-2000, 7 gepanzerte Fahrzeuge, 12 Haubitzen, 18 Raketenwerfer

Indien: 2002, 1.070 Fahrzeuge Marke Tatra für den Transfer von nuklearen Sprengköpfen

Jemen: 1999-2002, 176 Panzer tanks, T-55 AM2, 60 Panzerkanonen, TK10-T2S, 12 L-39 Flugzeuge, Gewehre

Kolumbien: 2002, kleine Kanonen

Sri Lanka: 1995-2001, 86 Panzer, 24 Raketenwerfer

* Zimbabwe: 1992-2001, 26 Raketenwerfer, 10 Haubitzen, Hunderte von Gewehren und Maschinengewehren